piwik no script img

UNO fordert Auslieferung von Kriegsverbrechern

■ Die Medien in Kroatien und Serbien räumen gesuchten Kriegsverbrechern große Publizität ein. Die Regierungen boykottieren die Zusammenarbeit mit Den Haag

Wien (taz) – Der Weltsicherheitsrat hat am Donnerstag einstimmig die Regierungen in Serbien und Kroatien wegen ihrer Weigerung verurteilt, mutmaßliche Kriegsverbrecher festzunehmen und an das Tribunal in Den Haag zu überstellen. Sollten die Parteien den Verpflichtungen des Dayton-Abkommens nicht nachkommen, droht der Sicherheitsrat mit Wirtschaftssanktionen. Der Führung der bosnischen Serben und der Regierung in Belgrad wird vorgehalten, die Haftbefehle gegen den Serbenführer Radovan Karadžić und General Ratko Mladić nicht ausgeführt zu haben. Aber auch Zagreb wird beschuldigt, Kriegsverbrecher in Amt und Würden zu belassen. Die staatlich Medien räumen nach wie vor all jenen große Publizität ein, die die Arbeit des Kriegsverbrechertribunals verunglimpfen.

So berichteten die Belgrader Zeitungen in dieser Woche ausführlich über die Entscheidung der bosnischen Serben, die Aushebung von Massengräbern in ihrem Landesteil vorerst zu untersagen. Die regierungsnahe Zeitung Politika kommentierte wohlwollend, es könne von serbischer Seite nicht hingenommen werden, daß die internationale Staatengemeinschaft sich weigere, Gräber von ermordeten Serben zu öffnen, wohingegen muslimische Leichenfunde voreilig als Massenerschießungen uminterpretiert würden. Gemeint waren damit Ausgrabungen mehrerer Ermittlerteams in der Umgebung von Srebrenica. Bis heute leugnen serbische Medien diese Greuel und sprechen von „Kampfhandlungen zwischen Muslimen und Serben“, bei denen laut Politika die „tapfere Serbenarmee den Sieg nach Hause trug“. Selbst die Oppositionsblätter in Belgrad gewähren mutmaßlichen Kriegsverbrechern die Möglichkeit, ihre Darstellungen vom „Verteidigungskampf des serbischen Volkes“ zu verbreiten. So findet sich in der jüngsten Ausgabe der kritischen Zeitung Vreme ein Interview mit dem kroatischen Serbenführer Milan Martić, der im April 1995 mehrere Mittelstreckenraketen ins Stadtzentrum von Zagreb abfeuern ließ und über die Toten und Verwundeten höhnte.

Auf kroatischer Seite tut sich der ehemalige Oberkommandierende des 2. Kroatischen Militärbezirks in Bosnien, Ivica Rajić, in den staatlichen Medien hervor. Er bezeichnet die Den Haager Richter als „Werkzeuge finsterer antikroatischer Kräfte“ und behauptet, er habe lediglich das „bedrohte Kroatentum gegen die islamische Übermacht verteidigt“. Die Massaker, die unter seinem Kommando in Zentralbosnien geschahen, interpretiert der steckbrieflich gesuchte Großkroate in „Kampfhandlungen“ um. Karl Gersuny

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen