: Mit zweierlei Maß
■ Spaniens Regierung verweigert Ermittlungsrichtern Originalakten
Madrid (taz) – Die politische Sommerpause im Baskenland ist vorbei, noch bevor sie richtig angefangen hat. Gestern reisten die Führer aller im Regionalparlament vertretenen Parteien nach Vitoria, der Hauptstadt der Region. Autonomie-Präsident José Antonio Ardanza hatte überraschend den Pakt zur Befriedung und Normalisierung des Baskenlandes einberufen. Auf der Tagesordnung stand die Entscheidung der spanischen Regierung in Sachen schmutziger Krieg der „Antiterroristischen Befreiungsgruppen“ (GAL).
„Hier wird mit zweierlei Maß gemessen, wenn es um den Staatsterrorismus und um die ETA geht“, warf José Maria Ardanza dem in Madrid regierenden José Maria Aznar vor. Während die konservative Regierung gegen die baskischen Separatisten Härte beweise, behindere sie die Ermittlungen gegen die „Antiterroristischen Befreiungsgruppen“ (GAL). Die GAL tötete in den 80er Jahren in Südfrankreich 28 Basken. Grund für die baskischen Vorwürfe ist die Weigerung der Regierung Aznar, den Ermittlungsrichtern Einblick in die Akten des militärischen Geheimdienstes CESID zu gewähren. Zeitgleich setzte der Oberstaatsanwalt einen der Hauptangeklagten, den ehemaligen Oberbefehlshaber der paramilitärischen Polizeitruppe in der Nordregion, General Enrique Rodriguez Galindo, auf freien Fuß. Galindo soll mehrere Operationen der GAL höchstpersönlich geleitet haben. Die entsprechenden Beweise, die auch die Verwicklung des Innenministeriums der Regierung González offenlegen, befinden sich in den Geheimdienstunterlagen. Zwar kennen die Richter die Papiere, jedoch nur in Form von Kopien, die ihnen zugespielt wurden. Aber nur die Originale haben Beweiskraft.
„Was weiß Galindo, über seine eigene Verbrechen hinaus, das sein Wissen mit einem Gefängnisaufenthalt unvereinbar erscheinen lassen?“ fragte der Vorsitzende der im Baskenland regierenden Baskisch Nationalistischen Partei (PNV). In einer gemeinsamen Abschlußerklärung verurteilte die Konferenz in Vitoria gestern die Entscheidungen der Madrider Regierung und der Staatsanwaltschaft. Nur wer den Terror beider Seiten verurteile, bleibe für die Bevölkerung glaubwürdig und könne einen Ausweg aus dem 30 Jahre währenden Konflikt um die Unabhängigkeit des Baskenlandes aufzeigen, hieß es nach der Konferenz. Der Pakt zur Befriedung und Normalisierung des Baskenlandes hatte erst vor knapp zwei Monaten seine jahrelange innere Zerstrittenheit überwunden und gemeinsame Grundlagen für Verhandlungen mit der ETA formuliert. Reiner Wandler
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