: Wenn's der Wahrheitsfindung dient
■ 3. Strafsenat und Verteidigung werfen sich Stimmungsmache vor: Im Prozeß gegen drei PKK-AktivistInnen liegen Nerven bloß
Nach fünf Minuten wird die Verhandlung unterbrochen. „Das ist eine ungeheure Unterstellung“, empört sich Rechtsanwalt Rainer Ahues und will den Vorsitzenden Richter Albrecht Mentz in die Schranken weisen, die dieser soeben überschritten haben soll. Zu Beginn des gestrigen Prozeßtages vor dem Oberlandesgericht Hamburg im Paragraph 129 a-Verfahren gegen zwei Kurdinnen und einen Kurden hielt Richter Mentz dem Anwalt Ahues vor, daß er am vorigen Verhandlungstag am Donnerstag das Publikum hinter der Trennscheibe mit Gesten aufgefordert haben soll, den Angeklagten zu applaudieren.
Damit artikulierte Mentz erstmals seinen stets subtil mitschwingenden Verdacht, Verteidiger Mentz identifiziere sich mit den Zielen seiner MandantInnen. Meryem Y., Azime Y. und Sait B. sind angeklagt, FunktionärInnen einer „terroristischen Vereinigung“, der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, zu sein. Mentz könnte den Anwalt mittels einer solchen Unterstellung sogar vom Verfahren ausschließen.
Der Streit um grundlegende Verfahrensrechte der Angeklagten, um die Kontaktmöglichkeiten zwischen ihnen und ihren AnwältInnen sowie die Disziplinierung der ZuschauerInnen bestimmen das Verfahren seit seinem Beginn im März. Ständige Unterbrechungen gehören ebenso zum Prozeßalltag wie ein sarkastischer Umgangston zwischen den Angehörigen des 3. Strafsenats und der Verteidigung.
Einen vorläufigen Höhepunkt hatte es in der vergangenen Woche gegeben: Wie zuvor waren die drei Angeklagten bei der Vereidigung eines Zeugen sitzengeblieben. Den vom Gericht geforderten Respekt könnten sie nur zeigen, wenn auch ihnen der gebotene Respekt gezollt werden, erklärte Azime Y. Aber Richter Mentz verschaffte sich Achtung: Er ließ die drei von der Anklagebank wegen Mißachtung des Gerichts von der Hauptverhandlung ausschließen.
Zusammen mit den KurdInnen wurde eine vierte Person direkt aus dem Gerichtssaal ins Gefängnis abgeführt: Als Mentz während der Erklärung von Azime Y. schon vorsorglich das Publikum vor Beifallsbekundungen warnte, hatte eine Zuschauerin gelacht – für den Vorsitzenden Richter Anlaß genug, sie für 24 Stunden in Ordnungshaft nehmen zu lassen.
Die Stimmmung ist angespannt. Sie weiter anzuheizen werfen sich Verteidigung und Strafsenat gegenseitig vor. Als Francesco Arnau i Arias, ein Rechtsanwalt aus Barcelona, vorige Woche aus beruflichem Interesse im Zuschauerraum das Paragraph 129 a-Verfahren gegen die drei KurdInnen beobachtete, fühlte er sich an die Rechtsprechung im Spanien der Franco-Zeit erinnert und schrieb empört an die taz: „Ich denke, daß Azime Y. recht hat, wenn sie sagt, daß es den Richtern und Staatsanwälten darum geht, zum einen die Öffentlichkeit einzuschüchtern und möglichst ganz vom Prozeß fernzuhalten, und zum anderen die Rechte der Anwälte willkürlich zu beschneiden.“
Elke Spanner
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