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: Recht kryptisch: Zirkus Loko-Motiv zeigt „Die Rückkehr der Indianer“

Weltuntergangsvisionen auf skandinavische Art: Ein gasmaskenmaskierter Gummihandschuh-Wombel streift um einen Glasscherbensee, schamanistische Zauberfrauen murmeln Esperanto-Formeln, und aus der transparenten Tipi-Schwitzhütte brodelt und raucht es gar mystisch. Das „multimediale Art- Experiment“, das die paneuropäische Performance-Truppe „Loco-Motiv“ aus Stockholm auf der Freifläche am Tacheles zelebriert, erinnert ziemlich stark an Filme wie „Blade Runner“ und Alan Parkers „Birdy“, mit einem Touch Fellini für Arme: Mäßig originelle Achtziger-Jahre-Endzeitphantasien also, angereichert mit etwas Indianermystik. Da riecht es kräftig nach Spiritus und Waschbenzin, gezündelt wird natürlich auch, und über allem hängt symbolträchtig ein Metallkranich. Doch die als postapokalyptisches Indianerreservat gekennzeichnete Performancefläche kann nur schwer mit der ohnehin bizarren Kulisse des nächtlichen Tacheles-Skulpturenparks konkurrieren: Wie ein ausgebrannter Vulkan versinkt die Kunsthaus-Ruine im Dunkeln, von ferne blinzelt cool der Fernsehturm herüber, und im Hintergrund rumpelt leise die U-Bahn-Apokalypse here and now. Fasziniert klettern amerikanische Berlinbesucher in der Performance-Pause in die Rostrakete, während die internationale Interrail-Jugend an gegrillten Maiskolben knabbert und sich in allen möglichen zentraleuropäischen Sprachen unterhält: Die Oranienburger Straße ist immer noch ein Rucksacktouristenmagnet erster Güte.

Nach der Pause geht es drinnen im Theatersaal weiter mit rieselndem Sand, flackernden Lichtspielen und kryptischen Botschaften.

Das ist letztlich ein bißchen langatmig und schon mal dagewesen, und als sich die schwedische Performance-Künstlerin, von einer Seifenblasenwolke zugedeckt, auf den Boden Schlafen legt, möchte man es ihr längst gleichtun. Doch zuvor muß der ermüdete Zuschauer noch einem albernen Gurkenfolterexperiment mit Elektroschocks, dämonischem Singen im grünen Scheinwerferlicht und anderen wirren Aktionen beiwohnen, bevor er das Purgatorium verlassen darf.

Dabei ist die Welt draußen, vor dem Tor des Tacheles, auch nicht hoffnungsvoller: Hungrig streunen Hunde über den nassen Asphalt, Straßenarbeiter schweißen einsam Straßenbahnschienen, und minderjährige Teeniepunks taumeln einem am Rosenthaler Platz in den Arm, um Bargeld bittend, „damit ich heute noch mal breit sein kann“. Daniel Bax

Heute um 22 Uhr im Tacheles, Oranienburger Str. 54-56a, Mitte.