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Die Havel soll in ihrem Bett bleiben dürfen

Initiatoren des Volksbegehrens erwägen Verfassungsklage gegen das Land Brandenburg  ■ Von Ansgar Oswald

Berlin (taz) – Heute ist die vorerst letzte Gelegenheit für die Brandenburger, ihren Unmut über den geplanten Havelausbau kundzutun. 80.000 Unterschriften sind für das Volksbegehren notwendig – Voraussetzung für ein Referendum. Kommen die nötigen Unterschriften zusammen, muß sich auch der Landtag erneut mit dem umstrittenen Projekt 17 der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit beschäftigen.

Sollte das Volksbegehren aber scheitern, erwägt die Volksinitiative „Aktionsbündnis gegen den Havelausbau“ eine Verfassungsbeschwerde gegen das Land Brandenburg. Volksbegehren sind dort schließlich gesetzlich verbrieft. Michael Ganschow, Geschäftsführer der Grünen Liga, wirft dem Land eine massive Behinderung der Bürgerrechte vor. Unklare Bestimmungen in der Verfahrensordnung hätten bei der Unterschriftensammlung zu Unregelmäßigkeiten geführt. Außerdem habe die Landesregierung die Verantwortung für die Durchführung auf die Gemeinden abgewälzt. Ein „mickriges Budget“ von 60.000 Mark sollte für alle 225 Amtsgemeinden reichen, um das Volksbegehren öffentlich bekanntzugeben, das Personal zur Verfügung zu stellen und die Abstimmungsräume auszuschildern.

Nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich ist der Ausbau der Wasserwege zwischen Hannover und Berlin umstritten. Das Projekt basiert nämlich auf völlig veralteten Ausgangsdaten, die in der Wendeeuphorie hochgerechnet wurden. Das Bundesverkehrsministerium ging davon aus, daß sich das Transportaufkommen der Binnenschiffahrt in den neuen Bundesländern von 28,9 Millionen Tonnen im Jahr 1988 auf auf 86,8 Millionen Tonnen bis 2010 erhöhen würde. Mittlerweile wurde diese Prognose um ein Drittel nach unten korrigiert – um „das Risiko möglicher Überschätzungen“ zu verringern, wie es in den Unterlagen für das Raumordnungsverfahren von Ende 1995 heißt.

Ungeachtet dessen sehen die Arithmetiker im Bonner Bundesverkehrsministerium den alten Nutzen-Kosten-Faktor von 6,5 weiterhin bestätigt. Das heißt: In 85 Jahren wird für jede investierte Mark ein Gewinn von 6,50 Mark erwartet. Doch diese Laufzeit „liegt weit über dem Zeitraum, die noch als wirtschaftlich prognostizierbar gilt“, sagt Sibylle Rosenkranz, die im vergangenen Jahr ihre Diplomarbeit zu dem Thema an der TU Berlin vorgelegt hat. Darin entlarvt sie die Bonner Zahlenspielchen als Gleichungen mit vielen Unbekannten und kommt zu dem Ergebnis, daß allenfalls ein Kosten-Nutzen-Faktor von 2,5 anzunehmen ist.

Auch neue Prognosen unabhängiger Institute rechnen damit, daß bestenfalls 50 Prozent des von Bonn prognostizierten Transportvolumens auf ostdeutschen Wasserwegen erreicht wird. Bereits 1992 betrug das Transportaufkommen in Neufünfland nur noch 8,2 Millionen Tonnen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält es ausschließlich beim Rhein für möglich, wesentliche Transportanteile von der Straße aufs Wasser zu holen. Ansonsten führe der parallele Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserwegen zu einer Preisdruckspirale zu Lasten der Bahn.

Dessen unbeeindruckt hält Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann unverdrossen das Projekt 17 für eine „sparsame Steuermittelverwendung und ökologisch sinnvoll“.

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