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Vorhaut ade

■ Türkisches Kabarett-Duo „Knobi-Bonbon“ verunsichert deutsche Männer

„Einst wollten sie unseren Papst umbringen, jetzt wollen sie unseren Kanzler beschneiden“; Angst macht sich unter der (männlichen) deutschen Bevölkerung breit. Mit einer Schere bewaffnet macht sich der mutmaßliche muslimische Täter nachts auf die Suche nach unbeschnittenen Deutschen – und es gibt wahrlich nicht wenige von denen; Politiker, Geistliche und Normalverbraucher müssen um ihre Vorhaut bangen.

In ihrem vierten Programm Der Beschneider von Ulm setzt Knobi-Bonbon – das erste türkische Kabarett Deutschlands – seine schon vor zehn Jahren mit dem Stück Vorsicht frisch integriert begonnene Satire-Arbeit konsequent fort. Sinasi Dikmen alias Sinasi Dickmeier hat seinen Traum erfüllt; er ist stolzer Besitzer eines deutschen Passes. Um mit seiner Vergangenheit endgültig abzurechnen, hat er sogar seine beschnittene Vorhaut wieder annähen lassen.

Seine Ruhe hat er aber lange noch nicht gefunden. Zwischen Deutschtum und Türkentum hat er seine Identität verloren. Als Ausdruck seiner Schizophrenie ist er jetzt Nacht für Nacht mit der Schere unterwegs. Die zwei Autodidakten Sinasi Dikmen und Muhsin Omurca zeigen in ihrem zweistündigen Programm, wie Kabarett sein soll: gnadenlos, spritzig, frech, scharfsinnig und unverschämt. Mit irrwitziger Intelligenz jonglieren sie mit Vorurteilen und Ängsten von (be- und unbeschnittenen) Deutschen und Türken. Begleitet vom schelmischen Mienenspiel drehen und verdrehen sie zielsicher Worte und Tatsachen, um zwischendurch auf das einzige übriggebliebene deutsche Kulturgut zu kommen: den Himbeerpudding.

Etwaige Fragen danach, „warum die Ausländer noch in Deutschland sind“ oder gar danach, „was aus dem (Trieb-)Täter Dickmeier geworden ist“, sollen nicht an dieser Stelle beantwortet werden. Hingewiesen wird nur auf die Ergebnisse einer Studie der Knobis über Vor- und Nachteile der Beschneidung: 11,4-minütige Orgasmusverlängerung, beziehungsweise circa 60 Milliarden volkswirtschaftlicher Verlust.

Nikos Theodorakopulos

Mon Marthe, Tarpenbekstr. 65, bis Sonntag, 23. April, jeweils 20.30 Uhr

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