: Es ist alles Oberfläche: Ich möchte eine Maschine sein
■ Claus Beck-Nielsen und Rolf Heim reinkarnieren Andy Warhol „Den Geist des 20. Jahrhunderts“
Sylvesterabend 1999: Andy Warhol läßt die vergangenen 50 Jahre Revue passieren. Als Talkmaster plaudert er mit Weggefährten, Zeitgenossen und Idolen seiner Zeit – über das Thema: „The Life of Andy Warhol oder Der Geist des 20. Jahrhunderts“. Seine Interviewpartner sind nur auf Monitoren zu sehen und werden vom Meister selbst synchronisiert. Mit der ihm typischen Präzision nimmt er ihnen die Wörter aus dem Mund oder legt ihnen die seinen hinein. Im zeitlosen Raum simuliert er eine Videokonferenz und demontiert die Helden der amerikanischen Gesellschaft. Marylin Monroe ist nichts weiter als ein sexbesessenes Dummchen, Nixon debil und Muhammed Ali sinnlos aggressiv.
Zwischen den Zeilen: zunehmende Vereinsamung. „Ich möchte eine Maschine sein, weil man doch immer wieder dasselbe tut“, schrieb Warhol. „Wenn Sie alles über Andy Warhol wissen wollen, sehen Sie sich meine Bilder und Filme an. Mehr steckt nicht dahinter. Es ist alles Oberfläche.“ Die Pop-Ikone der Oberfläche ist auferstanden, um über die Zuhörer den Geist des 20. Jahrhunderts auszuschütten. Der dänische Schauspieler Claus Beck-Nielsen seziert Warhols Persönlichkeit bis auf die letzte Faser. „Dabei erheben wir nicht den Anspruch, Andy Warhols Leben realistisch nachzuzeichnen“, versichert Regisseur Rolf Heim. „Sein Geheimnis ist schwer zu fassen. Uns geht es darum, seine glamouröse Welt, seine Einsamkeit, sein Streben nach Ruhm und Geld zu zeigen.“
Gestützt von den musikalischen Einlagen des Schlagzeugers Michael Rösel wird dieser Solo-Abend zu einem ineinandergreifenden Regelwerk von Videotechnik, Schauspiel und Musik. Die Monitore, die in der Tradition der New Yorker „Wooster Group“ zum Einsatz kommen, werden rein funktional – als Handlungsträger und nicht als Sender willkürlicher Bilderwelten benutzt. Sie sind die einzigen wahren Kommunikationspartner für den Pop-Propheten, den ersten Künstler der Moderne, der offensiv die Verbindung von Kultur, Kommerz und der seriellen Produktion von Kunstwerken vertrat. In seiner Figur werden die Grenzen von Original und Kopie aufgehoben. Und so ähnlich ist das auch bei diesem Theaterabend, bei dem nicht mehr wichtig ist, ob dort wirklich Andy Warhol steht oder Claus Beck-Nielsen.
Der ist Däne. Außerdem Schauspieler, Musiker und Hörspielautor. Von ihm stammen die Texte des Stücks, das der Schweizer Rolf Heim entwickelt und inszeniert hat: „Diese langweiligen Solo-Performances finde ich abschreckend.“ sagt der. „Ich will ein visuelles, bewegliches Theater.“
ed
Claus Beck-Nielsen/Rolf Heim: Andy Warhol. Der Geist des 20. Jahrhunderts. Eine Produktion von Commedia Futura, Hannover. Ca. 110 min. 26. und 27. April, 21 Uhr, K 2.
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