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Geld für Geschenke gestoppt

Der IWF verzögert die Zahlung der monatlichen Kreditrate an Rußland. Vor Jelzins Wahl hatte er das wachsende Haushaltsloch ignoriert  ■ Aus Moskau Barbara Kerneck

Als sich vor ein paar Tagen die Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Moskau einfanden, bestätigte sich eine mehrjährige Gesetzmäßigkeit in ihrem Verhalten. Wann immer Präsident Jelzins Stellung in Gefahr ist und die russische Regierung deshalb versucht, eventuelle KritikerInnen mit großzügigen Geschenken auf Kosten der Staatskasse bei der Stange zu halten, schließen sie die Augen. Sobald aber die Gefahr überwunden ist, predigen sie nachträglich Moral und drohen, die Daumenschrauben anzuziehen.

Die großzügigen finanziellen Wahlkampfversprechungen Jelzins an alle möglichen Interessengruppen im vergangenen Frühjahr ließ die vor einer kommunistischen Machtergreifung zitternde internationale Gemeinschaft unkommentiert. Jetzt aber zögert das IWF-Team, Rußland die monatlich fällige Rate von 330 Millionen Dollar auszuhändigen – Teil eines sich über drei Jahre erstreckenden 10,2-Milliarden-Dollar-Kredits. Schon im Juli hatten die Sachwalter des Währungsfonds erst nach einigem Zögern das Geld überwiesen.

Zum einen benörgeln die westlichen Experten das hohe Haushaltsdefizit der Russischen Föderation. Es betrug schon zur Zeit der Wahlen 7 Prozent – im Vergleich zu 4,3 Prozent Ende 1995. Und das Loch wächst unbeirrbar weiter an. Zum anderen hat die lange politische Ungewißheit während des Wahlkampfes die Investitionslust und überhaupt jegliche wirtschaftliche Initiative im Lande gebremst.

Folglich war das Bruttozozialprodukt im Juli um 9,3 Prozent niedriger als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Nach wir vor ist der Staat nicht in der Lage, allen seinen Angestellten rechtzeitig die Löhne auszuzahlen oder die Rechnungen für seine Aufträge an Unternehmen zu begleichen. In der Provinz, wo die Leute oft über mehrere Monate keine Gehälter bekommen, macht sich die Naturalienwirtschaft breit. Wenn sich Barzahlungen nicht vermeiden lassen, wenden sich die Familien an ihre PensionärInnen. Auch ihnen erhöhte Boris Jelzin während des Wahlkampfes die Renten. Das Bemühen des russischen Staates, seinen BürgerInnen ein menschliches Gesicht zu demonstrieren, hält in ihrem Falle an: Sie bekommen ihr Geld bis heute relativ pünktlich.

Die russische Regierung hat aber bei ihren verhandlungen mit den IWF-Leuten auch ein paar Trümpfe vorzuweisen. Vor allem eine für die eigenen Maßstäbe sensationell niedrige Inflationsrate wird in diesen Fällen immer herausgestellt. Die Preise stiegen im Juli nicht einmal um einen Prozentpunkt. Natürlich ist dieser Erfolg auch jahreszeitlich bedingt, das heißt vor allem auf die guten Obst- und Gemüseernten zurückzuführen.

Trotzdem bleibt festzuhalten, daß zum erstenmal seit Beginn der Reformen in Rußland Anfang 1992 die Preissteigerung über die Spanne von zwölf Monaten weniger als 50 Prozent betrug – nämlich nur 43,6 Prozent. Das Durchschnittseinkommen der RussInnen liegt in diesem Sommer umgerechnet bei fast 250 Mark pro Monat, im Vergleich zu nur 160 Mark im vorigen Jahr. Und da es den meisten BürgerInnen gelingt, das ihnen Zustehende irgendwann doch einzutreiben und der Mensch im Sommer zum Optimismus neigt, knausern sie nicht mit dem mehrverdienten Geld. Die kleine Russin von der Straße kauft heuer pro Monat vier Prozent mehr ein, als sie es vor Jahresfrist tat.

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