Prodi redet mit ermüdender Stimme und hellem Kopf

■ Italiens Regierungschef schummelt sein Land unter die Euro-Würdigen und zwingt der EU Debatte über die Aufweichung der Währungsunions-Kriterien auf

Rom (taz) – Daß Italiens seit Mai amtierender Ministerpräsident Romano Prodi zu den beredteren seines Landes gehört, sagen ihm nicht einmal seine besten Freunde nach. Seine Rhetorik erschöpft sich in der Regel in professoralen Darlegungen, bei denen auch zähe Zuhörer eher mal ein Nickerchen einlegen, anstatt auf zitierwürdige Statements zu warten. Und so hat sich Prodi eben angewöhnt, das, was er für wichtig hält, so oft zu wiederholen, bis es die Zuhörer auswendig können. Neuerdings hat er mit diesem Ewigrepetieren eine Reihe angenehmer Erfolgserlebnisse.

Zu seinen ständigen Wiederholungen nämlich gehört, daß Italien von der ersten Sekunde bei der 1999 geplanten Währungsunion dabei sein wird. Zwar deuten die Parameter des Zutritts, wie sie die Europäische Union vor drei Jahren festgelegt hat, für Italien eher auf das Gegenteil hin. Doch Prodis Versicherung, man werde es „natürlich“ schaffen, zeigt allmählich selbst im Ausland Wirkung. Jede Stelle hinter dem Komma, die Italiens Inflation sinkt, wird nun aufmerksam registriert. Auch das Verhältnis von Staatsverschuldung und Bruttosozialprodukt sowie das italienische Haushaltsdefizit finden internationale Beachtung. Kaum hatte Prodi stolz die neuesten Zahlen der Preisentwicklung in der Hand und daraus gar eine leichte Deflation ablesen können, stand er schon wieder vor den Mikrofonen und verkündete, daß Italien in allernächster Zeit wieder ins Europäische Währungssystem zurückkehren werde. Vielleicht stünde der Schritt sogar schon nächste Woche an.

1993 hatte das Land nach einem grauenhaften Kursverfall das Wechselkurssystem verlassen. Von der nationalen Wirtschaft werden diese Ankündigungen als eher waghalsig angesehen: Seit Wochen fällt der Kurs der Lira wieder, vom Umtausch 1.000 Lire zu einer Mark ist er wieder auf 1.030 abgerutscht. Außerdem möchten exportorientierte Sektoren die Schwankungen gerne weiter zur Aufbesserung ihrer Konkurrenzfähigkeit nutzen.

EU-Kriterien noch lange nicht erfüllt

Die Preissteigerungsrate ist zwar tatsächlich deutlich abgekühlt und liegt derzeit bei 3,4 Prozent. Doch auf Jahresbasis kommen noch immer weit über vier Prozent heraus. Die EU verlangt drei Prozent. Das Verhältnis von Staatsverschuldung zum Bruttoinlandsprodukt, von der EU auf 60 Prozent begrenzt, liegt noch immer bei 120 Prozent. Und das Verhältnis Haushaltsdefizit zum Bruttoinlandsprodukt liegt trotz aller Sparhaushalte bei weit über sechs Prozent, während das Euro-System drei Prozent beim Eintritt verlangt. Zudem steht Italien eine Rezession ins Haus, die die Regierung möglicherweise zu einer Intervention und damit einer stattlichen, EU-abträglichen Neuverschuldung zwingt.

Dennoch rufen Prodis Ankündigungen längst nicht mehr das bisherige müde Lächeln der ausländischen Experten hervor. Nicht einmal Bundesfinanzminister Theo Waigel – der noch vor eineinhalb Jahren mit dem Verdikt „Italien schafft's nicht“ einen der schlimmsten Börsen- und Valutaabstürze des Landes provoziert hatte – rümpft mehr die Nase. Das liegt aber nicht daran, daß ihm das Land mittlerweile so vertrauenswürdig erscheint. Auch bei den „starken“ Euro-Kandidaten hat sich mittlerweile eine neue Idee breitgemacht, in der Italien die zentrale Rolle spielen könnte: Hin- und hergerissen zwischen den Forderungen nach einer Verschiebung der Währungsunion aufgrund des Mangels an zutrittsfähigen Ländern und einer Aufweichung der Parameter – was beides nach einmütiger Meinung auf längere Sicht einen Zerfall der Union nach sich ziehen würde –, wäre ein deutlich gesundendes, aber keineswegs schon gesundes Italien ein Beispiel für eine Art „Dritten Weg“ zwischen Aufnahme und Ausschluß. Für die „starken“ Länder wie Deutschland und Frankreich wäre eine lebhafte Italien-Diskussion zudem eine sehr angenehme Ablenkung von den eigenen Problemen mit den Paramatern.

Schlitzohrig berichten Italiens Medien, in diesem Punkt einig mit der Regierung, penetrant über die Schwierigkeiten der anderen Länder. Diese werden gar nicht anders können, als die vom südlichen Nachbarn angebotene Diskussion um den Zutritt Italiens aufzunehmen – und am Ende positiv zu bescheiden. Werner Raith