: Deutsches Giftgas für Gaddafi
■ Südwestfunk: Zwei Firmen aus Mönchengladbach sollen Libyen eine neue Giftgasfabrik geliefert haben
Baden-Baden/Berlin (dpa/taz) – Deutsche Geschäftsleute sollen Libyen erneut eine Giftgasfabrik geliefert haben. Der Südwestfunk berichtet, zwei Firmen aus Mönchengladbach würden verdächtigt, hochmoderne Anlagen nach Libyen geliefert zu haben, die zur Herstellung von C-Waffen benutzt werden können. Das Zollkriminalamt hat für heute zu einer Pressekonferenz nach Mönchengladbach geladen, Thema: „Neue Ermittlungen wegen illegaler Lieferungen von Schlüsseltechnologien für das libysche Chemiewaffenprogramm.“
Der SWF berichtete gestern, zwei Mitarbeiter der Firmen CSS Semiconductor Equipment GmbH und Indicator Datenverarbeitungsservice GmbH würden verdächtigt, die Anlagen zwischen November 1991 und Juli 1993 nach Libyen geliefert zu haben. Bei der Ware handele es sich um Teleperm-M-Anlagen des Typs AS 235 von Siemens. Das Automatisierungssystem könne mit der richtigen Software zur Mischung von Giftgasen eingesetzt werden. Der Geschäftsführer von CSS, Udo Buczkowski, und sein Vorgänger Detlef Crusius seien am 9. August verhaftet worden. Ihnen werde ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz und gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen. Ein weiterer verdächtiger deutscher Staatsbürger, Berge Balanian, werde mit Haftbefehl gesucht. Nach Informationen des SWF ist er in Libyen.
Wegen des Chemiewaffengeschäftes ermitteln die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach, das Bundeskriminalamt, die Zollfahndung Düsseldorf sowie das Zollkriminalamt in Köln. Die Ermittlungen gehen auf Recherchen der Düsseldorfer Zollfahndung zurück, erklärte gestern ein Sprecher der Oberfinanzdirektion Düsseldorf. Das Geschäft habe einen Umfang von mehreren Millionen Mark. Laut SWF haben die beiden deutschen Firmen die Anlagen in Mönchengladbach montiert und verpackt. Im Auftrag einer Brüsseler Scheinfirma habe sie eine belgische Spedition nach Antwerpen transportiert, wo eine libysche Reederei sie übernahm.
Bereits in den achtziger Jahren hatte die deutsche Firma Imhausen Chemie eine Teleperm-M-Anlage nach Libyen geliefert. Sie sollte angeblich in der Giftgasfabrik Rabta Verwendung finden. Nachdem die Rabta-Pläne bekanntgeworden waren, prägten US-amerikanische Medien den Begriff „Auschwitz im Wüstensand“. Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi ließ den Komplex in eine Pharmaziefirma umbauen. Nach Erkenntnissen von US- Geheimdienstlern entstand jedoch parallel bei Tarhuna eine neue Giftgasfabrik. Ermittler schätzen, daß die aus Mönchengladbach gelieferten Anlagen reichen, um eine Anlage von der dreifachen Dimension Rabtas zu betreiben. Die US-Regierung droht, die Inbetriebnahme Tarhunas durch Bombardements zu verhinden.
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