: Einstimmig gegen Bonn
■ Der schleswig-holsteinische Landtag will die „Versöhnungsklausel“ kippen
Berlin (taz) – „Es ist nicht gewöhnlich, daß sich die Liberalen im Landtag gegen einen Gesetzentwurf von Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig stellen“, erklärte Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein. Das Ungewöhnliche geschah am vergangenen Freitag im schleswig- holsteinischen Landtag. Einstimmig sprachen sich alle Fraktionen für eine Bundesratsinitiative aus, mit der die sogenannte „Versöhnungsklausel“ im Gesetz über Vergewaltigung in der Ehe gestrichen werden soll. Die Klausel ermöglicht es Frauen, Widerspruch gegen ihre ursprüngliche Anzeige einzulegen und damit das Verfahren einzustellen.
Im Mai hatte der Bundestag Vergewaltigung in der Ehe zum ersten Mal in der deutschen Geschichte unter Strafe gestellt. Allerdings hatte Bundesjustizminister Schmidt-Jortzig den Entwurf seiner Vorgängerin Leutheusser- Schnarrenberger zur rechtlichen Gleichbehandlung von Vergewaltigung innerhalb und außerhalb der Ehe durch die „Versöhnungsklausel“ entscheidend entschärft. Zwar erlaubt der endgültige Gesetzentwurf nicht, den Widerspruch per Postkarte einzulegen, wie von Schmidt-Jortzig vorgesehen; er verlangt, daß der Einspruch der Frau vor einem Gericht geprüft wird. Dennoch erntete auch diese abgeschwächte „Versöhnungsklausel“ heftige Kritik. Sie lade den gewalttätigen Ehemann geradezu ein, Druck auf seine Frau auszuüben, um die Anzeige zurückzuziehen, meinten JuristInnen. Auch die schleswig-holsteinische Frauenministerin Angelika Birk betonte: „Wir wissen, daß Frauen, die Gewalt erlitten haben, zu einem sehr hohen Anteil den Strafantrag zurückziehen.“
Die Gesetzesinitiative ist vom Bundesrat bereits wieder an den Bundestag zurücküberwiesen worden – und zwar mit der Auflage, die „Versöhnungsklausel“ zu streichen. Ende August muß der Bundestag nun noch einmal darüber abstimmen. Die einhellige Ablehnung der Versöhnungsklausel durch den schleswig-holsteinischen Landtag setze jetzt nun die Bundestagsabgeordneten der FDP und CDU unter Druck, ihre Position noch einmal zu überdenken. ka
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen