Der Hexer

■ Ein Porträt von Horst Wendlandt, Vater aller Winnetous. WDR, 22.35 Uhr

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtige Idee zu haben, sei das Entscheidende im Filmgeschäft: Auf diese schlichte Formel, die wohl eher als Lebensbilanz denn als Leitspruch taugt, bringt es einer, der in den vergangenen 40 Jahren oft richtig lag und dadurch der erfolgreichste deutsche Filmproduzent der Nachkriegszeit wurde: Horst Wendlandt. Man setzt auf einen Stoff und auf einen Star, sagt er, „und dann kann man nur beten“. Außer seinen sind auch die Gebete von Arthur Brauner und Luigi Waldleitner regelmäßig erhört worden; zusammen sind sie die Hauptverantwortlichen für das, was die Polemiker des Oberhausener Manifestes, wie Alexander Kluge und Werner Herzog, abfällig „Opas Kino“ nannten und vorschnell für tot erklärten. Jenem für das deutsche Kino so maßgeblichen Disput hat Ilona Kalmbach in ihrem Porträt über Horst Wendlandt relativ viel Raum zugestanden.

Wendlandt hat offenbar noch immer nicht verwunden, daß damals junge Leute daherkamen, die alles besser wußten und glaubten, alles selber machen zu können – Drehbuch schreiben, Regie führen, produzieren – und die für solchen Dilettantismus auch noch öffentliche Gelder einstrichen. Diese Leute, sagt er noch heute bitter, haben die Deutschen aus den Kinos getrieben. Was es mit dieser These wirklich auf sich hat, wird in dem Beitrag nicht weiter diskutiert. Der filmgeschichtliche Hintergrund bleibt weitgehend ausgeblendet; statt dessen konzentriert sich die Autorin auf die Figur des Produzenten und auf die Höhepunkte seiner Karriere – wie er sie selbst heute sieht und wie seine jeweiligen Stars sie sehen.

Das hinterläßt, ganz dem Wendlandtschen Motto entsprechend, den Eindruck lauter glücklicher Zusammentreffen – und führt zur Legendenbildung: In einer nachgestellten Szene einer früheren Dokumentation sitzt Wendlandts 13jähriger Sohn unter den Apfelbaum, auf dem der Vater sitzt, und rät ihm, er solle doch mal Winnetou verfilmen. Gesagt, getan. Und dann sitzt da ein junger, schöner Mann in einem Restaurant herum, den Wendlandt sofort als perfekten Winnetou engagiert: Pierre Brice. Daß nach dem Erfolg der in Jugoslawien gedrehten Karl- May-Verfilmungen Sergio Leone auf die Idee kam, auch Italo-Versionen des Westerns zu drehen, welche dann umgekehrt selbst den US-Western nachhaltig prägten, klingt nur ganz nebenbei an.

Auch Edgar Wallace zu verfilmen, lag aus Wendlandts heutiger Sicht einfach auf der Hand – aber wie sich dieses Subgenre innerhalb des 60er-Jahre-Krimis derart unangefochten fortpflanzen konnte, und in welcher Weise sich die Wirtschaftswunder-Deutschen in den morbiden Gruselgeschichten um Mord und Geld wiederfanden, ist offenbar aus Produzentenansicht weniger interessant.

Angefangen hatte der Sohn eines russischen Landarbeiters als Filmkaufmannslehrling bei der Berliner Tobis. Seinen ersten großen Erfolg als selbständiger Verleiher („Rialto“) entdeckte er mit dem Einkauf von Charlie-Chaplin- Filmen für den deutschen Markt. Erst in den 70ern ließ sich Wendlandt auf einen ambitionierten Regisseur wie Ingmar Bergman ein, und erst 1981 entdeckte er Fassbinder für sich und produzierte „Lola“ sowie „Die Sehnsucht der Veronika Voss“. Den 1982 gestorbenen Regisseur nennt er, entgegen der landläufigen Meinung, kommerziell, „kommerzieller geht es kaum“. Wie er selbst: Nach der Fassbinder-Episode widmet sich Wendlandt kalkulierten Kassenschlagern wie „Momo“, Loriot und Otto, von dem er berichtet, wie „wahnsinnig unsicher“ er sei „im Gegensatz zu Vicco von Bülow“.

Das kurzweilige Porträt verdankt seine Existenz einem früheren Film über Mario Adorf, in dem sich der Produzent überraschend gesprächsbereit zeigte. Der WDR plant derzeit weitere solcher Beiträge, als nächstes über Heinz „Ekel Alfred“ Schubert. Oliver Rahayel