: IWF-Strukturanpassung in Jordanien
■ Regierung sollte Schulden abbauen. Sie hob den Brotpreis an
Kairo (taz) – Gespannte Ruhe herrscht in Jordanien wenige Tage nach den Brotunruhen in der südjordanischen Stadt Karak. „Brot ist das Feuer, mit dem Politiker spielen und sich verbrennen“, mahnte die arabische Zeitung An- Nahar, als Ende letzten Monats bekannt wurde, die Brotpreise zu verdoppeln. Doch der jordanische König Hussein und sein auf Wirtschaft spezialisierter Ministerpräsident Abdel Karim Kabariti ließen sich nicht davon abbringen. Letzten Dienstag war es dann soweit. Unmittelbar nach der Erhöhung folgten die Unruhen.
Hintergrund des radikalen Schritts ist ein auf zehn Jahre angesetztes Strukturanpassungsprogramm des Internationalen Währungsfonds (IWF). Es begann 1991 und sollte die damalige Schuldenlast von elf Milliarden Dollar reduzieren. Als Medizin schlugen die IWF-Strategen eine Mischung aus Privatisierungen, ein Ende der Staatsmonopole und niedrigere Steuern vor. In vier Jahren wurden die Schulden dann tatsächlich auf sechs Milliarden Dollar abgebaut. Allerdings nicht ohne einen hohen sozialen Preis dafür zu bezahlen. Die Arbeitslosenrate liegt heute offiziell bei 15 Prozent, andere Quellen sprechen von 20 Prozent. Laut dem jordanischen Wirtschaftswissenschaftler Fahed Fanek fiel der Lebensstandard in den letzten zehn Jahren fast um die Hälfte. In einem zweiten Schritt sollte die Regierung ihre Subventionen zurückschrauben. Erst letzten Monat genehmigte der IWF neue Kredite mit der Auflage, die Subventionen zu kürzen.
Als Ersatz versprach der König nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags mit Israel vor zwei Jahren, daß Milch und Honig aus der Zusammenarbeit fließen werden. Die große Friedensdividende blieb jedoch aus. Washington strich in Folge des Friedensvertrags die 700 Million Dollar, die das Königreich den USA schuldete. Der erhoffte große US-Entwicklungshilfe-Regen, ähnlich wie in Folge des ägyptisch-israelischen Camp-David-Vertrags vor 17 Jahren, sollte nicht einsetzen. Auch die Zusammenarbeit mit Israel erwies sich als zäh. Zwar wurde ein Freihandelsabkommen zwischen beiden Ländern abgeschlossen. Doch israelische Sicherheitsmaßnahmen, die Schließung des Westjordanlands und des Gaza-Streifens und zusätzlich festgelegte Quoten für den Import jordanischer Güter unterliefen das Abkommen in großem Maße. So war es für die islamistische Opposition ein einfaches, in den letzten Tagen die „IWF-Verschwörung gegen des Volkes Brot“ mit dem nicht eingetretenen ökonomischen Nutzen aus dem Friedensvertrag mit Israel in Verbindung zu bringen.
Derweil hätte König Hussein auf erfolgreiche Brotpreiserhöhungen zurückblicken können. Als die ägyptische Regierung 1977 den Brotpreis erhöhte, brachen überall im Land Unruhen aus, und die Regierung war gezwungen, die Entscheidung zurückzunehmen. Daraufhin erschien dann eine teurere, angeblich bessere Variante des traditionellen Brots neben dem Fladen zum alten Preis auf dem Markt. Der alte, billigere Fladen verschwand langsam aus den Geschäften. In den folgenden Jahren schrumpfte jedoch die teurere Variante zu einem Bruchteil ihrer ursprünglichen Größe zusammen. Damit verteilte sich der Ärger der Leute und brachte keine weiteren Unruhen hervor. Karim El-Gawhary
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