Neuer Großaktionär bei IG-Farben

■ Immobilienmakler hofft auf enteignete Grundstücke in Ostdeutschland. Auflösung der IG-Farben erneut gescheitert

Frankfurt/Main (taz) – Einen Tag vor der gestrigen Hauptversammlung der IG-Farben in Frankfurt war bekanntgeworden, daß sich ein neuer Großaktionär in die eigentlich aufzulösende Gesellschaft eingekauft hat. Die von dem Immobilienkaufmann Günter Minninger kontrollierte Gesellschaft für Grundbesitz aus Köln hatte 42,94 Prozent an der WCM Beteiligungs- und Grundbesitz AG, einer 100prozentigen Tochter der IG-Farben, erworben. Da die Liquidatoren der IG-Farben in den vergangenen Jahren die größten Restvermögensbestände der „Blutaktienfirma“ (Kritische Aktionäre) der WMC überschrieben haben, um in deren Namen leichter Grundstücks- und Immobiliengeschäfte tätigen zu können, ist der neue Mehrheitsaktionär Minninger auch bei IG-Farben im Aufsichtsrat. Minninger dürfte sich vor allem für die von den IG-Farben eingeforderten Ansprüche an Vermögen und Grundstücken in der ehemaligen DDR interessieren.

Die bisherigen Liquidatoren Joachim Bartels und Günter Vollmann werden wahrscheinlich abgelöst. Das von ihnen vorgeschlagene neue Aufsichtsratsmitglied, Michael Barz, der die Nachfolge von Ex-Bundesverkehrsminister Günther Krause antreten sollte, war auf der Hauptversammlung nicht mehr durchsetzbar. Der neue Mehrheitsaktionär Minninger – selbst nicht anwesend – präsentierte über einen Unternehmensvertreter einen eigenen Kandidaten, der ebenfalls nicht da war. Aktionärsvertreter Kurt Fiebig beantragte daraufhin die vorzeitige Auflösung der Hauptversammlung. Erst müßten die „völlig undurchsichtig gewordenen Verhältnisse“ bei IG-Farben geklärt werden. Das aber lehnten die noch amtierenden Liquidatoren ab. So wie die versammelten Wertpapierbesitzer mehrheitlich die Gegenanträge der Kritischen Aktionäre ablehnten, die – wie seit Jahren – die endgültige Liquidation der Gesellschaft und die Entschädigung der noch lebenden Opfer aus den Arbeitslagern der IG-Farben einklagten. Für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre kandidierte der Sprecher des Auschwitz-Komitees und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Peter Gingold (DKP), für den vakanten Sitz im Aufsichtsrat.

Vor Beginn der Hauptversammlung protestierten mehr als hundert Menschen gegen den Fortbestand der Gesellschaft. Die Liquidatoren hoffen noch immer, Grund- und Immobilienbesitz der alten IG-Farben auf dem Gebiet der Ex-DDR zurückzuerhalten oder zumindest für deren Verlust entschädigt zu werden. Ein Bundesverfassungsgerichtsurteil dazu steht noch aus. Klaus-Peter Klingelschmitt