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Warum gruselt es daheim so schön?

■ „Herrchens Frauchen“ feiern im Schmidt 12. Geburtstag mit „Fühlt euch wie zuhause“

„Andere machen Sportabzeichen. Wir prüfen uns jedes Jahr im August mit diesem Programm“, erläutert Lisa Politt den sportlichen Hintergrund zur Wiederaufführung von „Fühlt euch wie zuhause“, dem allerersten Stück des Hamburger Kabarett-Duos Herrchens Frauchen. Uraufgeführt vor zwölf Jahren, als Lisa Politt und Gunter Schmidt sich als Kleinkünstler selbständig machten, fragt sich heute, wie fit das „Sittengemälde der 80er Jahre“ noch ist, und ob es – abgesehen vom Vergnügen an „historischen Szenen“ – „doch kein Historiendrama“ ist.

Ein mitteljunges Paar – Politt als Pädagogin Evelyn im engen, strengen Kostümchen, Gunter Schmidt als Werbeklangteppichweber Klaus im fröhlichen Hawaii-Hemd – entführt das Publikum im Schmidt-Theater in die Jahre, als die Aufforderung „Fühlt euch wie zuhause“ eine ernsthafte Drohung war. Und als jene Zeit war, sich über sangeslustige Friedensfreunde zu amüsieren, die sich das Gute zum Hobby erkoren hatten. Heute fehlt zu solchen Massenbewegungen – was man angesichts der gesellschaftlichen Zersplitterung mittlerweile schon fast bedauern mag – jegliches Pendant, und zum Lächeln sind oft nur noch Anklagen radikaler Veganer wie vielleicht „Käse ist Folter“.

Als überaus haltbar erweisen sich dagegen die kleinen Gemeinheiten, mit denen das glückliche Paar Abwechslung ins Leben bringt. Politt/Schmidt demonstrieren psychoterroristische Beziehungstaten – ohne Todesfolge immerhin – mit gewohnt präzisem Slapstick. Sätze wie „Ja, das ist lustig!“ können wenige so dumpf ins Schweigen des Publikums plumpsen lassen wie Gunter Schmidt als zwanghaft lockerer, ewig lächelnder Werbemusikant.

Von Vatis Mädchen bis zur ätzend schrillen Frustbeule zieht Politt mal säuselnd, mal rotzig vom Leder. Nach der Devise „Hauptsache, es tut schön weh“ konkurrieren beide – auch mit ihren musikalischen Kunststücken von Rock bis Jodel – um die Gunst der „überraschenden Gäste“, als die sich die Zuschauer auf Sesseln und Sofas im Schmidt wie zuhause fühlen dürfen.

Seit zwölf Jahren unterwegs, halten Herrchens Frauchen mit grotesken Zwangsvorstellungen und musikalischem Spielwitz die Hamburger Kabarettszene, an deren Grundsteinlegung sie in den 80ern nicht ganz unbeteiligt waren, in Bewegung: auf der SchlapplacHHalde oder derzeit als Gäste bei den Zelttheaterwochen. Im Schmidt ist zu sehen, wie für Herrchens Frauchen alles anfing. Julia Kossmann

„Fühlt euch wie zuhause“: bis 1. September, täglich außer montags um 20.30 Uhr, am Schlußtag um 19.30 Uhr, Schmidt

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