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In Grosny schweigen die Waffen

■ ... und in Moskau schweigt die russische Führung zu Lebeds Verhandlungserfolgen in Tschetschenien

Moskau/Grosny (AFP/rtr) – Das Schweigen der Waffen in Tschetschenien hat gestern die Hoffnungen auf eine friedliche Lösung des Konflikts genährt. Um 12.00 Uhr Ortszeit trat in der Kaukasusrepublik der vom Moskauer Tschetschenienbeauftragten Alexander Lebed ausgehandelte Waffenstillstand in Kraft, der zunächst auch eingehalten wurde. Korrespondenten berichteten aus Grosny, die Lage sei „beeindruckend ruhig“. Nur wenige Fußgänger und Fahrzeuge seien in den Straßen unterwegs, da die Angst vor Heckenschützen groß sei.

Das russische Oberkommando wies seine Soldaten laut der Nachrichtenagentur Interfax an, das Feuer einzustellen und die Unabhängigkeitskämpfer durch einen Korridor aus Grosny abziehen zu lassen.

Die Tschetschenen hätten ihrerseits die Anweisung erhalten, auf mögliche russische Angriffe mit „höchster Zurückhaltung“ zu reagieren. Nach dem zwischen Lebed und dem tschetschenischen Generalstabschef Aslan Maschadow am Vortag geschlossenen Abkommen sollen die russischen und tschetschenischen Truppen gemeinsame Patrouillen bilden, um die Ordnung in Grosny aufrechtzuerhalten. Damit wurde nach russischen Angaben gestern begonnen. Die übrigen Soldaten beider Seiten sollen Grosny bis Montag verlassen. Ferner sollen sich die russischen Truppen nächste Woche aus den südlichen Regionen Tschetscheniens zurückziehen.

Lebed wollte am Samstag erneut nach Tschetschenien reisen, um nach eigenen Worten ein „politisches Abkommen“ zu schließen. Von der Rebellenseite hieß es optimistisch, das Abkommen könne einen Ausgleich zwischen den Interessen beider Seiten schaffen. Ein Faktor der Unsicherheit war aber die unklare Haltung des russischen Präsidenten Boris Jelzin. Die Moskauer Führung äußerte sich zunächst mit keinem Wort zum Ergebnis von Lebeds Verhandlungen.

Lebed selber verteidigte das Resultat seiner letzten Reise, die von Jelzin kritisch beurteilt worden war. „Ich bin fest entschlossen, diese Blutorgie zu beenden“, sagte er. Er rechne mit Kritik von Nationalisten und Hurra-Patrioten an seiner Politik, andererseits aber auch mit einem herzlichen Willkommen im Kreml. Doch das fand bis gestern nachmittag nicht statt.

In Moskau herrschte Unklarheit darüber, ob sich Lebed vor seiner neuen Tschetschenien-Reise mit Jelzin beraten würde. Das Präsidialamt bestritt Angaben Lebeds, zwischen ihm und Jelzin sei noch für Freitag ein Treffen geplant. Zugleich wollte der Pressedienst aber nicht ausschließen, daß es kurzfristig zu einer solchen Begegnung kommen könne.

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