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Siegen wird schwierig

Die Leichtathletin Lily Anggreny muß erkennen, daß die paralympische Entwicklung rasant verläuft  ■ Von Iris Hilberth

Atlanta (taz) – Gewinnen ist schwieriger geworden. Auch für Lily Anggreny aus Bochum, die es bisher gewohnt war, die Konkurrenz in ihrem Rennrollstuhl hinter sich zu lassen. Bei den Paralympics in Atlanta mußte sie nun feststellen, daß auch andere gut sind, daß manche auch besser sein können. Nachdenklich saß sie nach dem 5.000-Meter-Rennen in den Katakomben des Olympiastadions, stopfte die von den Händen abgewickelten Bandagen in ihren Rucksack, wischte sich den Schweiß von der Stirn und schwieg. Nein, so hatte sie sich die Paralympics nicht vorgestellt. In Barcelona hatte sie in Weltrekordzeit noch Gold auf dieser Strecke gewonnen, und nun war sie Sechste geworden. Nicht nur die Medaille gehörte einer anderen, nämlich Louise Sauvage aus Australien, auch der Rekord war nicht mehr der ihre. Lily Anggreny hatte sich so viel vorgenommen. „Was soll ich denen zu Hause denn jetzt sagen?“ Auch die Bronzemedaille, die ihr das 10.000-Meter-Rennen beschert hatte, konnte sie in diesem Moment nicht trösten. Zumal auch hier nicht alles nach Plan lief. Eine Amerikanerin hatte die 35jährige kurz vor dem Ziel bedrängt, so daß sie vorerst nur Vierte war. Ein Protest machte die Deutsche doch noch zur Bronzemedaillengewinnerin. Lily Anggreny hat schon viel gewonnen, seit sie vor sieben Jahren die Geschwindigkeit der Rennrollstühle entdeckt hat. Als Kind chinesischer Eltern wurde sie im Norden Sumatras geboren. Bereits im Alter von acht Monaten erkrankte Lily an Kinderlähmung und hat daher auch niemals laufen gelernt. 14 Jahre ist es nun her – die junge Frau besaß inzwischen die indonesische Staatsbürgerschaft, da kam sie zum Studieren nach Deutschland. Auch Sport wollte sie betreiben, und so begann sie mit dem Rollstuhlbasketball. „Aber ich bin sehr ehrgeizig, und daher habe ich mich immer geärgert, wenn wir verloren haben, obwohl ich mein Bestes gegeben habe“, gibt sie zu. Da kam der Rennrollstuhl, den sie auf einer Reha-Messe entdeckte, gerade recht. Schnell fahren kann ich, sagte sie sich und legte los. Einen Titel nach dem anderen holte sie sich, erst auf nationaler, dann auf internationaler Ebene, bei großen Marathons ebenso wie bei den Paralympics in Barcelona. 280 Kilometer fährt sie dafür in der Woche, „aber das war wohl noch nicht genug“, meinte sie kritisch. Doch sie habe auch Fehler in der Taktik gemacht, zu spät versucht, die Führenden doch noch zu überholen. „Da fehlte mir dann einfach die Kraft, denn ich habe viel mehr die Ausdauer trainiert“, überlegt sie. Eine langwierige Erkältungskrankheit hatte sie zusätzlich in ihrer Vorbereitung zurückgeworfen.

Atlanta hat Lily Anggreny, die seit zwei Jahren deutsche Staatsbürgerin ist, kein Glück gebracht. Auch vor vier Wochen, bei einem Demonstrationswettbewerb während der Olympischen Spiele, war sie gar nicht zufrieden, auch wenn die ausgeschriebenen 800 Meter für sie eigentlich zu kurz waren. „Da war ich nicht gut, da bin ich Letzte geworden.“ Und nun, Lily Anggreny? „Ich werde noch mehr trainieren“, sagt sie. Ihr nächstes Ziel ist der Marathon in Berlin. Da will sie dann wieder vorne sein, „und ich möchte Streckenrekord fahren“. So leicht läßt sie sich nicht von der Spitze verdrängen.

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