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SozialdemokratInnen fordern Arbeitsdienst

■ Wenn sie "zumutbare" Arbeit ablehnen, sollen SozialhilfeempfängerInnen weniger Geld bekommen

Hamburg (taz) – „Wir müssen die Ursachen der Arbeitslosigkeit bekämpfen und nicht die Menschen, die auf uns angewiesen sind“, richtete Hamburgs Sozial- und Arbeitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD) am vergangenen Wochenende einen flammenden Appell an den SPD-Landesparteitag. Doch das Plädoyer der parteilinken Senatorin für eine Armuts- statt einer Armenbekämpfung war vergeblich: Nach fünfstündiger hitziger Debatte sprach sich die Hamburger SPD am Samstag für die Kürzung der Sozialhilfe bei Ablehnung „zumutbarer“ Arbeit aus. Damit hat die regierende Hamburger SPD zum Wahlkampfauftakt für die Bürgerschaftswahlen 1997 grünes Licht für die Heranziehung von Sozialhilfeempfängern zu gemeinnütziger Arbeit gegeben. Und verabschiedet sich vom bisherigen Parteikonsens „Tariflohn statt Sozialhilfe“. Laub fegen und Müll einsammeln als Arbeitsdienst für Sozialhilfeempfänger wurde bisher in der Hansestadt abgelehnt. „Gemeinnützige Arbeit ist verlorene Zeit, sowohl für den einzelnen als auch für die strukturellen Probleme“, hielt Finanzsenator Ortwin Runde den Antrag für arbeits- und finanzpolitischen Unsinn. „Zumutbar ist nur eine Arbeit, die tariflich bezahlt und sozialversicherungspflichtig ist.“ Alles andere bringe weder Steuern in die leeren Staatskassen, noch helfe es, Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Parteirechten hatten sich mit der Forderung durchgesetzt, den Sozialhilfemißbrauch in den 14seitigen Leitantrag aufzunehmen und damit eine heftige Debatte ausgelöst. Den Befürwortern der Sozialhilfekürzung geht es bei der umstrittenen Leitantrag-Passage gar nicht um Grundsätzliches: Ihre Forderung deckt sich mit dem im Juli vom Bundestag und Bundesrat abgesegneten neuen Bundessozialhilfegesetz, das für Hamburg wie für alle anderen Länder gilt. Danach muß Sozialhilfe um 25 Prozent gekürzt werden, wenn „zumutbare“ Arbeit abgelehnt wird; die Ermessensspielräume der zuständigen Behörden fallen weg. Hamburgs SPD-Rechte will den Parteitagsbeschluß vielmehr als „Prüfauftrag“ an den Senat verstanden wissen, ob dies in der Hansestadt auch konsequent umgesetzt wird. „Die guten alten Thesen von früher reichen nicht mehr“, verrät Bausenator Eugen Wagner die Stoßrichtung der Beschlüsse, „uns laufen die Mitglieder weg“. Silke MertinsKommentar S. 10

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