Pneumatischer Zauberpfahl

■ Der Bremer Pollerwald hat ein neues Exemplar/ Mit Druck: „Der steht wie 'ne Eins“

Da gibt es schmale Lange, dicke Kurze, oben Spitze und unten Breite. Rechtsbieger sind ebenso häufig vertreten wie Linksbieger. Schon seltener sind solche mit neckisch rot-weißen Streifen an der Spitze zu finden. Und die mit dem netten runden Kugelkopf, der so sanft auf dem schmalen Körper aufsetzt: eine echte Rarität. Nur eines haben alle gemeinsam: Sie stehen wie angewurzelt auf der Straße, und nur ein fieser Dreikantschlüssel kann sie flachlegen.

Doch völlig unbemerkt hat sich jetzt ein Exemplar in der Pollerstadt Bremen eingeschlichen, das ganz anders ist als alle anderen: Es bewegt sich. „Ein Zauberpfahl“, orakelt Ortsamtsleiter Robert Bücking in Bremen-Mitte und der örtlich sachkundige Mann weiß: „In allen Pollern steckt viel Leidenschaft.“

Der „pneumatische Senkpfahl“, so nennt Bildhauer Wolfgang Zach und Pollervater, sein neuerdachtes Prachtexemplar. Brav schmort der pfählerne Edelpfeil vor dem Theater am Goethe-Platz in der Sonne. Rechts und links von ihm sechs blaue Normalopoller, die sich schief im Boden halten. Stolz ragen 90 Zentimeter Edelstahl aus dem Kopfsteinpflaster in die Höhe. Doch wenn Wilfried Lefeld, Mitarbeiter der theatereigenen Hausverwaltung, zum schwarzen Kippschalter im Theaterkartenhäuschen greift, zieht sich das Prachtexemplar beleidigt in den Boden zurück. Denn ihm geht schlichtweg die nötige Luft aus: Über 200 Kilogramm Druckluft verhilft dem Pfahl zum nötigen Stand. Doch wenn Lefeld am Schalter steht, läßt der Kompressor das Pumpen einfach sein. Lautes Zischen und der Pfahl ruckelt in 30 Sekunden langsam in den Boden. Umso fixer aber ist er wieder oben: „In acht Sekunden steht der wieder wie ne Eins“, weiß Theatermitarbeiter Lefeld. Etwa drei Stunden muß der Pfahl in der Theatersaison schlapp in der Erde stecken, um Taxen auf den abgepollerten Theaterplatz fahren zu lassen. „Die Gäste sollen vom Eingang direkt ins Taxis steigen können“, erklärt Lefeld das notwendige Prinzip. Pressend, ächzend und quietschend setzt dann gegen 22 Uhr wieder der Kompressor ein und verhilft dem Pfahl zu 90 Zentimeter Länge. Autos haben dann keine Chance mehr.

Doch was, wenn die Feuerwehr kommt? Dann könnte es mit der Pracht schnell vorbei sein. „Die fackeln nicht lange“, vermutet Theatermitarbeiter Lefeld, „und walzen den einfach platt.“ Das 3000 Mark teure Stück hat Pfahlvater und Künstler Wolfgang Zach als Testpfahl an die Stadt gespendet, die es jetzt über Winter auf Herz und Nieren prüfen will. Einen Unfall jedoch würde Bildhauer Zach kaum ein zweites Mal verkraften: Ein dreister Lkw-Fahrer hatte jüngst den von ihm gestalteten Tiede-Brunnen plattgemacht: Drei Säulen zeigen dort in wechselnder Höhe den Wasserstand der Weser an. Doch Zach blickt trotzdem optimistisch in die Zukunft: „Ich habe den Poller 20.000 Mal testweise hoch und runter fahren lassen. Da kann eigentlich nichts schiefgehen.“ Der Bildhauer, der Kunst und Technik gern miteinander verknüpft, vertraut auf seine mit Firma Hempel ausgeklügelte Pneumatiktechnik. In der Straßenverkehrsbehörde schlug der Druckpfahl bereits wie eine Bombe ein. „Das erleichtert einiges“, ist sich Sachbearbeiter Stefan Büssenschütt sicher. Bisher sorgten die mit Dreikantschlüssel flachgelegten Poller für stolpernde Passanten und nervige Diebe. Ortsamtsleiter Robert Bücking kann sich viele von diesen „reizvollen Dingern“ im Viertel vorstellen: „Da macht man Simsalabim, und das Ding ist einfach weg.“ kat