: Frieden in Grosny
■ Erste gemeinsame Patrouillen von Tschetschenen und Russen beginnen
Grosny/Moskau (AFP/dpa/taz) Russische und tschetschenische Militärs haben gestern den Waffenstillstand in Tschetschenien durch zusätzliche Vereinbarungen gefestigt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax unterschrieben der Kommandeur der russischen Truppen, Wjatscheslaw Tichomirow, und der Tschetschenen-Kommandeur Aslan Maschadow die Vereinbarungen in Nowi Atagi, 25 Kilometer südlich von Grosny. Darin wird der Rückzug beider Streitkräfte aus der tschetschenischen Hauptstadt ab heute bis zum 1. September festgeschrieben. An ihrer Stelle sollten bereits gestern nachmittag die ersten gemeinsamen Polizeiposten in Grosny aufgestellt werden.
Bereits vor Inkraftreten der Vereinbarung fuhren mehrere Busse mit tschetschenischen Unabhängigkeitskämpfern in die Stadt hinein. Ein tschetschenischer Kommandant gab ihre Zahl mit 270 an, die mit 270 russischen Soldaten die Kontrolle über die Stadt ausüben sollten. Die Tschetschenen kontrollieren ohnehin bereits nahezu das gesamte Stadtgebiet, während die Russen sich nicht von ihren Kontrollposten entfernen.
Der Chef der prorussischen Regierung in Tschetschenien, Doku Sawgajew, dessen Herrschaftsgebiet sich auf den Flughafen von Grosny beschränkt, griff Lebed unterdessen scharf an. Die gemeinsame russisch-tschetschenische Kontrolle über Grosny bezeichnete er als „Machtwechsel zugunsten der Terroristen“. Er selbst sei „Opfer eines Staatsstreichs“.
Das von Alexander Lebed eingeforderte Treffen mit Präsident Boris Jelzin verzögerte sich unterdessen weiter. Der russische Sicherheitsrat teilte mit, Jelzin wolle über ein Treffen mit Lebed erst entscheiden, wenn dieser seinen Friedensplan schriftlich vorgelegt habe. Unterdessen nahm die russische Staatsanwaltschaft wegen des Todes Hunderter russischer Soldaten bei den Kämpfen um Grosny Ermittlungen gegen Vizekommandeur Konstantin Pulikowski und andere Kommandeure auf. Pulikowski hatte letzte Woche einen Befehl zum Sturm auf Grosny gegeben, den Lebed im letzten Moment aufgehoben hatte.
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