piwik no script img

AKW Brokdorf vor verschärfter Prüfung

■ Gericht muß Termin verlegen, um Auswirkungen des Krümmel-Urteils zu prüfen

Schleswig/Brokdorf (taz) – Schleswig-Holsteins hartnäckigster Kämpfer gegen die Atomkraft schöpft Hoffnung: Nach zehnjährigem ergebnislosen Kampf vor Gericht gegen den Atommeiler Brokdorf macht dem Kläger Karsten Hinrichsen ausgerechnet das Bundesverwaltungsgericht Mut. Grund ist das Urteil des 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes Berlin zum Atomkraftwerk Krümmel, nach dem bei wesentlichen Änderungen von Kernkraftwerken die gesamte Sicherheitslage erneut auf den Prüfstand muß.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig hat den für Ende September vorgesehenen Prozeßtermin für Hinrichsens Verfahren aufgehoben und auf unbestimmte Zeit verschoben. In der Begründung des OVG heißt es, der Senat sehe sich außerstande, über das Brokdorf-Verfahren zu entscheiden, ohne die schriftlichen Urteilsgründe der Berliner zu kennen.

Das Krümmel-Urteil könnte durchaus weitgehende Auswirkungen haben. Schließlich beklagt Hinrichsen die zweite Teilbetriebsgenehmigung für Brokdorf vom 3. Oktober 1986. Das OVG Lüneburg hatte 1989 seine Klage abgelehnt, und dies unter anderem damit begründet, daß Hinrichsen schon früher gegen die erste Teilbetriebsgenehmigung hätte klagen müssen. Mit jener war die Genehmigungsbehörde zu einem sogenannten „vorläufigen positiven Gesamturteil“ unter anderem auch für den von Hinrichsen beklagten Einsatz von Mox-Brennelementen gekommen. Nach bisheriger Lesart der Berliner Rechtssprechung hat dadurch, daß Hinrichsen dieses vorläufige positive Gesamturteil nicht angefochten hat, zum Beispiel der Einsatz von Mox-Brennelementen Bestandskraft vor der endgültigen, detaillierten Genehmigung erhalten. Für Hinrichsen ist es ein Hoffnungsschimmer, daß das neue Berliner Urteil eines anderen Senates nun einen anderen Weg einschlägt und festlegte, bei jeder wesentlichen Änderung die Sicherheit neu überprüft werden müsse.

Hinrichsen hofft, daß jetzt „alle meine guten Sachargumente nicht mehr vom Tisch gewischt werden, weil ich sie schon bezüglich früherer Genehmigungen hätte vortragen müssen“. Der Sprecher des OVG Schleswig, Manfred Voswinkel, erklärte, ob sich wirklich an der Rechtslage etwas geändert habe, könne das Gericht erst nach genauem Studium der Entscheidungsgründe beurteilen. Rechtsgeschichte hat Hinrichsen aber bereits jetzt schon mit seiner Klage geschrieben. Weil sich das OVG Lüneburg mehr als sechs Monate Zeit ließ mit der schriftlichen Urteilsbegründung und einer der Juristen deshalb seine Unterschrift unter das Urteil verweigerte, wurde das Urteil vom gemeinsamen Senat der höchsten deutschen Gerichte im Herbst 1993 aufgehoben. Das Verfahren landete bei dem 1990 neu gegründeten Oberverwaltungsgericht in Schleswig. Das höchste Gericht hatte allerdings nur aus formalen Gründen das Verfahren zurückverwiesen. Inhaltlich, so Hinrichsen, hatte das Gericht nichts an der Urteilsbegründung aus Lüneburg auszusetzten. Sehr deutlich sei ihm damals gesagt worden, wenn er nichts Neues bringe, bleibe es bei dem Spruch. Kersten Kampe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen