taz und „Super Illu“ in einem Boot

Nach sechs Jahren Wendepause wird der Solibasar der Berliner Journalisten als gesamtberliner Ereignis am 31. August auf dem Alex reanimiert  ■ Von Gunnar Leue

Einmal im Jahr war es in der DDR zweifellos ein toller Job, Journalist zu sein. Nämlich immer am letzten Freitag im August, wenn der Berliner Solibasar der Journalisten die Massen lockte. Auf dem Alexanderplatz fand dann stets der größte Markttag der Republik statt. Aus allen Landesteilen pilgerten die Leute herbei, um ihr (meist) sauer verdientes Geld im Rausch ungehemmter Konsumfreude auszugeben.

Daß an diesem Tag sowenig aufs Geld geguckt wurde, hing nicht nur mit dem untypisch lukrativen Warenangebot zusammen, sondern mit dem Zweck der Veranstaltung. Das eingenommene Bare floß in die DDR-Entwicklungshilfe. Selbst abgedroschene Internationalismusparolen und die automatische Spendenakquise per Solimarke im Gewerkschaftsausweis konnte vielen DDR-Bürgern nicht das ehrliche Bedürfnis austreiben, den noch viel Ärmeren in der Welt zu helfen. Der Solidaritätsbasar der Journalisten war in seiner Mischung aus Spektakel, Benefiz und Schnäppchenmarkt 20 Jahre lang bis 1989 stets einzigartig.

Nach sechsjähriger Pause wird er nun, statt am letzten Augustfreitag, am Samstag wiederbelebt. Am 31.August werden rund 60 Verlage, Sender und diverse Kunstvereine (Volksbühne, Cartoonfabrik Köpenick) auf dem Alex ihre Stände errichten. Es ist ein buntes Teilnehmerfeld. Vom Eulenspiegel über taz, Super Illu, Antenne Brandenburg, Elephantenpress bis zu Ullstein und Bertelsmann Verlag. Initiatoren sind Das Magazin und die junge Welt, welche beide als ehemalige DDR-Publikationen schon vor der Wende stets zu den Beteiligten gehörten.

Erst vor wenigen Wochen hatten sie sich überlegt, die Tradition wieder aufzugreifen. Daß das Volksfest so viele Leute anziehen wird wie früher, ist freilich kaum mehr möglich. In der DDR war der finanzielle Erfolg des Basars nicht zuletzt deshalb garantiert, weil er eine kleine Oase in der Mangelwüste darstellte. Da konnte das Kabarett „Distel“, das jetzt wieder mitmacht, seine begehrten Eintrittskarten teuer versteigern. Auch Lausitzer Glas und Keramik gingen an diesem Sommertag immer weg wie das Eis am Stiel, das FDJler eines Berliner Eisbetriebes vorher in Sonderschichten hergestellt hatten. Beim Bauern-Echo waren sogar Schweine und Schafe gegen ordentlichen Soliaufschlag zu kriegen.

Am begehrtesten waren bei den bis zu 250.000 Basarbesuchern jedoch die Mitbringsel der Redakteure von Auslandsreisen. Kaffeebäumchen aus Nicaragua, Streichholzschachteln aus den USA und Japan, Seidentücher aus China. Selbst für eine Armbanduhr aus Nord-Korea und den guten Zweck kamen bei der Versteigerung schon mal 400 Mark zusammen.

Absolute Hits waren natürlich die feilgebotenen Original-LPs von den Stones oder Queen. (Jähe Wende 96: Diesmal lockt das vormalige DDR-Label Amiga mit diversen Fehlpressungen.) Nur die Lederjacke von Udo, die der Panik-Lindi dem Schalmeien-Honni 1988 geschenkt hatte, kam nicht hier unter den Hammer. Damit sie sich nicht irgendein besessener Fan überziehen konnte, blieb sie auf Weisung von oben einem vorbildlichen Arbeitskollektiv zur Ersteigerung vorbehalten. Für einige tausend Mark ging die Rockerjoppe an ein Rostocker Jugendkollektiv von Jeansherstellern.

Die Millionenerlöse des Solibasars wurden meist für die Aus- und Weiterbildung von Journalisten aus Entwicklungsländern an einem Ostberliner Journalisteninstitut verwendet. Nutznießer waren auch ein Krankenhaus in Nicaragua, ein ANC-Kindergarten und DDR-Druckereien, in denen die Zeitungen von ANC und Swapo gedruckt wurden. In diesem Jahr wird das eingenommene Geld einem gesundheitlichen Familienzentrum in Kuba zugute kommen. Daß es richtig eingesetzt wird, dafür übernimmt die Ärztekammer Gewähr, verspricht deren Präsident Elis Huber. Als Schirmherr der Veranstaltung wertet er die Unterstützung des kubanischen Projekts „vor allem als eine von gesellschaftspolitischen Aspekten losgelöste humanitäre Angelegenheit, da auch das Gesundheitswesen des Landes durch die Wirtschaftsblockaden geschwächt ist“. Zugleich sieht Huber die Förderung eines kubanischen Projekts als „Lob für das beispielhafte gesundheitliche Versorgungssystem für Entwicklungsländer“.

Auf dem Ost-Berliner Solibasar war Huber selbst nie, weil er als damaliger Gesundheitsstadtrat für die Grünen Einreiseverbot in die DDR hatte. Ungeachtet dessen findet er die Anknüpfung an die alte Osttradition sinnvoll und hofft, daß daraus eine neue gesamtberliner Tradition wird. Das sei „auch wichtig, um zu einer inneren Einheit zu kommen“. Den Kubanern wird es fürs erste wohl reichen, wenn der DM-Topf beim Solifest gut gefüllt wird.

Solibasar auf dem Alex am 31. August von 10 bis 17 Uhr