: Heimkehr in eine zerstörte Stadt
■ Russen ziehen planmäßig ab. Sicherheitschef Lebed reist noch diese Woche erneut nach Grosny
Trotz kleinerer Verletzungen des Waffenstillstands haben die russischen Streitkräfte gestern ihren Abzug aus der tschetschenischen Hauptstadt fortgesetzt. Dies teilte das russische Militär mit. Auch Einheiten der tschetschenischen Rebellen bereiteten sich darauf vor, Grosny zu verlassen. Moskaus Sicherheitschef Alexander Lebed will noch in dieser Woche seine Verhandlungen über die Zukunft des Landes fortsetzen.
Die 205. russische Panzerschützenbrigade zog gestern mit ihren schweren Waffen aus dem Zentrum von Grosny an den Stadtrand ab. Der Abzug der Truppen hatte sich durch einen militärischen Übergriff der Rebellen gegen die Russen verzögert. Die Streitkräfte hatten in den vergangenen Tagen Einheiten aus Südtschetschenien abgezogen. Die Oberkommandierenden der Russen und der Rebellen, Tichomirow und Maschadow, wollten sich gestern erneut treffen. Tichomirow wollte dabei auch die große Zahl von Rebellen in Grosny zur Sprache bringen. Nach russischen Angaben sind 4.500 Rebellen in der Stadt. Bis gestern abend sollten auch die gemeinsamen Militärkommandanturen ihre Arbeit aufnehmen. Gemeinsame Militärstreifen werden dann die Waffenruhe überwachen. Die Lage in Tschetschenien blieb nach russischer Darstellung insgesamt ruhig. Von tschetschenischer Seite lagen keine Angaben über den Truppenabzug vor.
Lebed strebt bei den Verhandlungen ein Abkommen über die Beilegung des Krieges an, wie sein Sprecher Barchatow sagte. Vor der Reise wolle Lebed Jelzin treffen oder mit ihm telefonieren. Lebed hat nach der Rückkehr aus Tschetschenien keinen Kontakt mit Jelzin gehabt. Nach bisherigen Informationen sieht der Lebed-Plan keine Unabhängigkeit für Tschetschenien vor. Moskau schließe eine Volksabstimmung über den künftigen Status von Tschetschenien in etwa fünf Jahren nicht aus, hieß es.
Der ehemalige russische Parlamentschef Chasbulatow, ein Tschetschene, will in Kürze mit Regierungschef Tschernomyrdin über die Lage sprechen. Chasbulatow traf sich kürzlich mit Rebellenchef Jandarbijew. Er sprach sich dagegen aus, die Entscheidung über den Status von Tschetschenien zu verschieben. Die Separatisten seien zu einem „vernünftigen Kompromiß“ bereit.
Nach korrigierten russischen Militärangaben kamen bei den dreiwöchigen Kämpfen um Grosny 506 Soldaten ums Leben. Einige Dutzend Soldaten würden vermißt. Mehr als 1.400 Soldaten seien verletzt worden. Über die Verluste der Rebellen gibt es immer noch keine Angaben. dpa/taz
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