: Köpenickiaden in Muffrika
■ 3. Filmfest Oldenburg: No budget action Thriller, Dokumentationen und Bankräuber-Portraits aus der Provinz / Das Forum Weser-Ems konzentriert sich auf regionale Produktionen
Zur Eröffnung des „3. Internationalen Filmfestes Oldenburg“ am Mittwoch abend im Wall-Kino freute sich Oberbürgermeister Dieter Holzapfel schon darauf, aus Oldenburg eine „kleine Filmstadt“ zu machen und hoffte, daß die Veranstalter, Torsten Neumann und Thorsten Ritter, der Stadt auch im nächsten Jahr noch die Treue hielten. Löblich, daß Neumann und Ritter in diesem Jahr nicht nur ihre guten Beziehungen zur US-amerikanischen Independent-Filmszene spielen ließen, sondern sich – neu in diesem Jahr – auch um regionale Produktionen bemühten. „Forum Weser Ems“ heißt die Reihe, die Kurz- und Langfilme u.a. aus Bremen, Papenburg und Ostfriesland präsentiert.
Zum Beispiel die Auricher Produktion „Kolk“. Der 17jährige Regisseur Eicke Bettinga hat in seinem Leben schon viele Filme gesehen; jetzt hat er selbst einen gemacht, in denen sie alle noch mal vorkommen. „Kolk“ heißt ein geheimnisvoller See im Ostfriesischen, wo drei aufgeweckte Kids eigentlich bloß Zelten gehen wollten, doch dann eine Leiche im Wasser finden. Was deren psychopathischer und stets finster dreinschauender Mörder mitbekommt. Aus dem harmlosen Zeltlager entwickelt sich eine gnadenlose Verfolgungsjagd. Das Thema wäre nicht weiter erwähnenswert, hätte Bettinga nicht ohne Scheu alle gängigen Thrillerklischees seiner Vorbilder ins Auricher Milieu verlegt. Und wenn die drei Jungen sich aus dem fahrenden Autos des Killers retten, indem sie den Schalter „Sitzheizung“ (für begriffsstutzige Zuschauer hat Bettinga“ noch mal groß „Sitzheizung“ drüber geschrieben) bis zum Anschlag hochdrehen und so den fiesen Mann zum Glühen bringen, ist das mit so viel jugendlichem Leichtsinn inszeniert, daß es eine Freude ist.
Mit dabei im Forum Weser-Ems (das im übrigen von der Stiftung Niedersachsen und der Oldenburger Fleischwarengruppe (!) gefördert wird): „Der Hauptmann von Muffrika“. Eine Dokumentation des – selbsternannten – Offiziers Willi Herold, der in den letzten Kriegsmonaten 1945 mit seiner Soldateska marodierend durchs Emsland zieht und willkürlich Todesurteile vollstreckt, bis er – von einer alliierten Streife zufällig erkannt – verhaftet und mit 17 Jahren zum Tode verurteilt wird. Co-Regisseur Paul Meyer, selbst stadtbekannter Papenburger (Meyer-Werft), hat lange in seiner Heimatstadt auf den Spuren von Herold recherchiert. „Der Hauptmann von Muffrika“ ist eine stimmungsvolle Collage aus Zeitzeugenaussagen, sorgfältigen Landschaftsaufnahmen aus der düsteren Torfabbau-Gebiet um Papenburg und Archivmaterial – von den Filmemachern effektvoll montiert zu einer tragischen Köpenickiade auf dem platten Land.
Hans-Erich Viet ist, drittes Beispiel für das Filmschaffen aus der Region, auf Festivals kein Unbekannter mehr. Sein erster Spielfilm „Frankie, Jonny und die anderen“, ein ebenso lakonisches wie witziges Porträt von fünf ostfriesischen Jugendlichen, wurde schon auf dem Saabrücker Max Ophüls-Festival prämiert. Jetzt ist in Oldenburg „Luggi L. ist nicht zu fassen“ zu sehen. Luggi L. ist der Bankräuber Ludwig Lugmeier, der in den 70er Jahren mit seiner Flucht aus dem Gerichtssaal Aufsehen erregte und später – erfolgreich – unter die Schriftsteller ging. Viet zeichnet in seinem Film den Lebensweg Lugmeiers nach.
„Totentraum“ schließlich, seinerzeit gedreht mit Fördermitteln der bremischen kulturellen Filmförderung, thematisiert die Gefühlslage einer Frau, die die Leiche ihres Mannes, eines türkischen Gastarbeiters, in die Heimat überführen muß.
Bereits auf dem Filmfest Emden zu sehen war „Operation Herring“, eine Dokumentation des verheerenden Bombenangriffs auf die Stadt im November 1944. Nicht nur die Opfer kommen zu Wort in Hilke Theessens Film, sondern auch zwei kanadische Bomberpiloten.
Ergänzr wird das Forum Weser-Ems durch zwei Kurzfilmreihen, die am Samstag um 20 Uhr (Teil 1) und am Sonntag um 18 Uhr (Teil 2) jeweils im Kulturzentrum PFL zu sehen sind. Um den Appetit auf die regionalen Produktionen zu steigern, haben die Veranstalter den Eintritt für die Forum-Reihe mit sechs Mark betont niedrig gehalten. Alexander Musik
„Kolk“, Sa., 18 Uhr, PFL 2, „Der Hauptmann von Muffrika“; So., 16 Uhr, PFL 1, „Luggi L. ist nicht zu fassen“, Sa., 20 Uhr, PFL 1, „Totentraum“ und „Operation Herring“, Sa., 22 Uhr und So., 20 Uhr, PFL 1.
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