: Strom von der Wand
■ Die Herstellung der Photovoltaik-Bauteile liegt nach dem Weggang der Großproduzenten nicht am Boden. Solarmodule an Hausfassaden haben Zukunft.
„Solaranlagen sind marktfähig.“ Mit diesem hoffnungsvollen Slogan begann vor einem Jahr die Greenpeace-Kampagne für die Stromerzeugung durch Sonnenlicht – und er hat sich bewahrheitet. Zuvor hatte sich überall photovoltaischer Pessimismus breitgemacht, denn der letzte Großhersteller der Bauteile, die ASE in Wedel, hatte dichtgemacht.
Doch der Optimismus hat die Fachleute wieder erreicht: Über 4.000 Erklärungen, eine der von Greenpeace konzipierten „Cyrus“-Anlagen kaufen zu wollen, sammelte die Umweltschutzorganisation in den ersten Monaten. Mindestens zwei Anbieter werden sie in Deutschland herstellen und vertreiben. 45 Angebote waren eingegangen, so daß Greenpeace zusammen mit dem Fraunhofer- Institut für Solare Energie-Systeme auswählen konnte. Drei weitere Großhändler erfüllten mit schwedischen und spanischen Modulen sämtliche Kriterien. Auch sie werden zukünftig Zweikilowatt-Solaranlagen für rund 25.000 Mark anbieten, nach Greenpeace- Angaben also etwa 40 Prozent unter dem bisherigen Durchschnittspreis. Kampagnen-Initiator Sven Teske: „Das ist eine schallende Ohrfeige für die deutschen Stromriesen.“ ASE-Mutter RWE und auch die Siemens Solar hatten ihre Produktion unter anderem mit dem Argument ins Ausland verlegt, es gebe kein Marktpotential, so daß eine rentable Herstellung unmöglich sei.
Den Weggang der Großen aus Deutschland hält Wolfgang Wiesner vom TÜV Rheinland ohnehin nicht für ausschließlich schlecht: „Ich bin eigentlich ganz hoffnungsvoll. Seitdem gibt es mehr und mehr mittelständische Firmen, die Solarmodule produzieren.“ Der Leiter der Abteilung Energienutzung weiß, daß ein Markt für Solaranlagen besteht und daß dort durchaus Anbieter um die Gunst der Kunden konkurrieren. Denn beim TÜV in Köln steht die einzige Anlage Deutschlands, mit der die Module vor allem auf ihre Haltbarkeit hin untersucht werden können. „Eine Solaranlage kann nur dann wirtschaftlich arbeiten, wenn sie nach vielen Jahren noch intakt ist.“ Da es praktisch keine Betriebskosten gebe, „wird die Rentabilität fast allein von der Lebensdauer bestimmt“.
Das sehen auch die Kommunen so, die in ihren Städten Pilotprojekte starten oder unterstützen. Um sich nicht mit einem Flop zu blamieren, fordern sie immer häufiger, daß ausschließlich Module mit Zertifikat nach einem internationalen Teststandard benutzt werden. Und dieses wiederum vergibt in Deutschland allein der TÜV Rheinland.
Das Schwierigste am Test ist nicht die Messung, wieviel Strom die Module vor und nach der künstlichen Alterung im sogenannten Klimaschrank produzieren. In diesem ist es feucht und heiß, die Materialien werden zudem extremer UV-Strahlung ausgesetzt, um langjährige Belastung auf einem Hausdach zu simulieren. Entscheidend ist vielmehr, daß bei der Untersuchung die künstliche Sonne immer gleich und möglichst echt strahlt. Rund eine halbe Million Mark hat der Sonnensimulator gekostet. 85 Prozent zahlte das Land Nordrhein-Westfalen, der Verein trug den Rest. Im eigentlichen Betrieb soll sich die künstliche Sonne finanziell selbst tragen, und da ist Wiesner erneut optimistisch: „Ein Jahr ist die Anlage jetzt in vollem Betrieb, und die Firmen kommen.“ Gerade für die kleineren Produzenten sei es nötig, ein Zertifikat vorweisen zu können, um sich am Markt zu etablieren. „Längst lassen bei uns aber auch die großen Firmen testen, die zwar in Amerika produziert haben, die nun aber Kontrollen nach europäischer Norm benötigen“, so Wiesner. Auch japanische Kunden kommen inzwischen zum TÜV an den Rhein.
Geschont werden die meist etwa einen halben Quadratmeter großen Module nicht: Nach der Tortur im Klimaschrank werden sie auf einer Fläche verspannt, die nicht eben ist, sondern vielmehr kleine Wölbungen hat – wie ein ganz normales Hausdach. Dort erbringen nicht mehr alle Produkte den anfänglichen Wirkungsgrad. „Das ist aber genau das Kriterium für Kunden“, erklärt Wiesner: „Nur bei Modulen, bei denen sich praktisch nichts geändert hat, können sie berechtigt auf eine lange Lebensdauer hoffen.“
In Deutschland vermutet der TÜV-Abteilungsleiter den Markt der Zukunft aber nicht auf dem Dach, sondern entlang der Hauswand. Immer mehr Fassaden würden verglast. „Da liegt es doch nahe, Solarmodule anzubringen“ und die Wand auf diese Weise Strom erzeugen zu lassen. Da die Fassaden-Module meist dreimal so groß wie die für Dächer sind, haben TÜV und das Land NRW ihren Sonnensimulator vorausschauend gleich entsprechend dimensioniert. Denn am Rhein ist man überzeugt, daß der alte Spruch vom Strom aus der Wand schon bald Realität wird. Leonard B. Schilling
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