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Jetzt hilft nur noch Druck

■ Kein prima clima für kostendeckende Vergütung in Nordrhein-Westfalen

Die Rede war fulminant und begeisternd. Nachdem der SPD-Bundestagsabgeordnete und Präsident der Europäischen Sonnenenergie-Vereinigung Eurosolar, Hermann Scheer, die Chancen der Solarenergie für den weltweiten Klimaschutz und die Schaffung neuer Arbeitsplätze beschrieben hatte, sprang letzten Oktober der Funke auf die Delegierten des Dortmunder Unterbezirksparteitags über: Mit nur einer Gegenstimme billigten die Genossen den Antrag auf kostendeckende Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energien. Groß war die Freude bei Initiatorin Susanne Hamann, Vorsitzende der Dortmunder Jungsozialisten: „Endlich geht über Dortmund die Sonne auf!“

Immerhin wäre die Zahlung von 2 Mark je Kilowattstunde Solarstrom in der heimlichen Hauptstadt der Sozialdemokratie zumindest ein Signal für andere Städte zwischen Rhein und Weser gewesen. Solch ein Signal hatte Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland Mitte 1994 gesetzt: Demnach sollten private Photovoltaik- und Windkraftanlagen-Betreiber für den Strom, den sie ins öffentliche Netz einspeisen, eine Vergütung bekommen, die ihre hohen Investitionen auffängt – sprich 2 Mark für jede Kilowattstunde Solarstrom und bis zu 35 Pfennig für Windstrom.

Als Ausgleich für die Ökostrom-Tarife gestattete das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium den Energieversorgern, den Strompreis um ein Prozent anzuheben. Die Zwischenbilanz nach zwei Jahren mit dem Erlaß zur kostendeckenden Vergütung fällt im Energieland Nummer 1 der Republik ernüchternd aus. Nicht einmal 10 von 396 Kommunen zahlen bislang den Öko-Obolus. „Damit sind wir überhaupt nicht zufrieden“, sagt Dieter Schulte-Janson, Preisreferent im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium und Motor des 94er Erlasses. Dortmund sucht man übrigens vergeblich auf Schulte-Jansons „Erfolgsliste“ – trotz des Parteitagsvotums der alleinregierenden Sozialdemokraten.

Daß sich ihre Genossen aus der Ratsfraktion nicht für die kostendeckende Vergütung erwärmen konnten, erfuhr die Juso-Vorsitzende und umweltpolitische Sprecherin des Dortmunder Parteivorstandes, Susanne Hamann, aus der Zeitung: „Als ich Hermann Scheer davon erzählte, meinte er, das sei der Kniefall der Dortmunder SPD vor dem Energieriesen VEW.“

Darin haben die Dortmunder Sozis Erfahrung: Als 1992 die Stadtwerke das Stromnetz von dem Verbundunternehmen Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG (VEW) zurückkaufen wollten, verhinderten das einflußreiche Mandatsträger. In der Dortmunder Energie und Wasser GmbH (DEW) behielt die VEW mit einem Anteil von 44,5 Prozent weiter Einfluß auf alle energiepolitischen Geschicke in der Stadt.

Und den hat sie auch bei der Verhinderung der kostendeckenden Vergütung in Dortmund genutzt. Statt dessen legte die DEW im Frühjahr das „clima prima“- Programm auf, an dem die SPD- Ratsfraktion großen Gefallen fand. Je eingesparter Tonne Kohlendioxid zahlt der lokale Energieversorger nun für Solarkollektoren, Photovoltaikanlagen und elektrisch betriebene Wärmepumpen 300 Mark. Ein schlechtes Geschäft hat Volker Remmler, Energieberater der Verbraucher-Zentrale in Dortmund, ausgerechnet: Während sich für den Betreiber einer 2-kWp-Standardanlage dank Zahlung der kostendeckenden Vergütung über 20 Jahre seine Ausgaben für Anschaffung und Anlagenbetrieb amortisieren, muß er bei „clima prima“ trotz eines sofortigen Investitionszuschusses von 6.600 Mark jedes Jahr bis zu 1.000 Mark draufzahlen.

Für Albert Herzmann, DEW- Referent für Umweltschutz und Energiepolitik, haben das Aufforstungsprogramm seines Unternehmens und „clima prima“ handfeste Vorteile: „Unter der Prämisse, daß bei uns Klimaschutz obenan steht, läßt sich mit dem Abbau von Nachtstromspeicherheizungen, der Förderung von Energiesparlampen oder Windstrom mehr CO2 reduzieren als mit der kostendeckenden Vergütung.“ Außerdem sei es nicht Aufgabe eines Energieversorgers, „Technologieförderung“ zu betreiben. Daß Herzmann als langjähriger umweltpolitischer Sprecher der Dortmunder SPD damit Beschlüsse seiner eigenen Partei unterläuft, ist eine Petitesse am Rande.

Für den Solarenergie-Förderverein (SFV) in Aachen ist das „clima“-Programm ein Indiz dafür, „daß die großen Energieversorger die kostendeckende Vergütung bewußt unterlaufen, da sie mit der dezentralen Stromgewinnung ihre Monopole gefährdet sehen“. Da auch VEW-Konkurrent RWE mit dem Umwelttarif Puls jüngst ein Programm aufgelegt hat, mit dem die kostendeckende Vergütung ausgehebelt werden soll, schrillen bei SFV-Geschäftsführer Wolf von Fabeck die Alarmglocken. Denn die VEW versorgen in NRW direkt oder indirekt 90 Kommunen mit Strom, am RWE-Netz und deren Beteiligungsgesellschaften hängen rund 150 Städte und Gemeinden: „Wir brauchen einfach mehr Unterstützung von der Landesregierung.“ Unterstützung findet von Fabeck jedenfalls bei Manfred Fischedick. Für den Fachmann für regenerative Energien am Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH steht fest, daß „die kostendeckende Vergütung der eindeutig bessere Weg ist, die Photovoltaik zu unterstützen, als die Förderprogramme der Energieversorger“.

Dagegen sieht Preisreferent Schulte-Janson aus dem NRW- Wirtschaftsministerium wenig Chancen, den Wünschen des Solarenergie-Fördervereins entgegenzukommen: „Mehr als bei jeder Besprechung auf die Energieversorger einzureden können wir nicht tun.“ Was nur helfe, sei ein verstärkter Druck in den Kommunen. Doch genau an dieser Energie fehlt es vielerorts. Ralf Köpke

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