„Liebe taz...“ Brechmittelvergabe sogar in Kinderklinik

Nachdem das Anti-Rassismusbüro in unserer gestrigen Ausgabe die Bremer Ärztekammer, die sich für die Verabreichung von Brechmitteln ausgesprochen hat, kritisiert, äußert sich heute Frau Dr. Ursula Auerswald, Präsidentin der Ärztekammer, zu den Vorwürfen:

Die Problematik der Emetika-Gabe zum Zweck der Beweissicherung ist ein Thema, das die Ärztekammer bereits seit längerer Zeit beschäftigt. Die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Bremen hat in ihrer Sitzung vom 26. August 1996 aufgrund neuer Unterlagen und eingehenden Studiums neuer Informationen folgenden Beschluß gefaßt: „Die Ärztekammer Bremen erklärt die Gabe eines Brechmittels zu Beweissicherungszwecken gemäß § 81a STPO nur unter ärztlicher Aufsicht und nur bei qualifizierter Notfallbereitschaft für vereinbar mit dem ärztlichen Berufsethos.“

In diesem Zusammenhang muß richtiggestellt werden, daß nur die Ärztekammer Hessen zur Frage der Vergabe von Brechmitteln einen Beschluß gefaßt hat, nicht aber die Ärztekammer Hamburg oder eine der anderen vierzehn Länderkammern.

Die Gabe von Radix Ipecacuanhae zum Zwecke des Herbeiführens eines Erbrechens wird auch in anderen medizinischen Bereichen eingesetzt, wie z.B. in der Kinderklinik bei Vergiftungen mit Zigaretten. Der Einsatz dieser Emetika kann also nicht als medizinisch unethisch betrachtet werden. Bei den Personen, die von der Polizei den Rechtsmedizinern vorgeführt werden, ist in der Mehrzahl davon auszugehen, daß sie Drogen in kleinen Containern umhüllt mit Kunststoff zum Zwecke des Transportes verschluckt haben. Es ist nachgewiesen, daß diese Container sowohl durchlässig sind als auch platzen können. Entleeren sich die Drogen auf diese Weise in den Körper, kann das zum sofortigen Tode führen. Insofern ist es unter medizinischen Gesichtspunkten sinnvoll, diese Container aus dem Körper eines Menschen kurzfristig zu entfernen - sowohl durch Gabe eines Emetikums, als auch durch Gabe eines Abführmittles.

Durch den Beschluß der Ärtztekammer Bremen soll gesichert werden, daß die in der Rechtsmedizin tätigen Ärzte – in dem Brief des Anti-Rassismusbüro als „Birkholz-Truppe“ bezeichnet – unter medizinisch sinnvollen Bedingungen diese Aufgabe durchführen. Rechtsmediziner sind durch den Auftrag der Staatsanwaltschaft verpflichtet, diese Beweissicherungsmaßnahme durchzuführen. Sie unterstehen bei der Ausführung dieses Auftrages nicht der Ärztekammer. Für die Ärztekammer ist es wichtig, daß die medizinischen Aspekte beachtet werden.

Die Ärztekammer Bremen geht davon aus, daß vor der Vergabe von Emetika eine Untersuchung der betroffenen Person erfolgt, um Nebenwirkungen weitgehend auszuschließen. Nach dem Erbrechen ist eine ärztliche Betreuung und eine Beobachtung erforderlich, so daß bei eventuell auftretenden Komplikationen kurzfristig ärztliche Hilfe geleistet werden kann. Schließlich sollte den betroffenen Personen in für sie verständlicher Form deutlich gemacht weden, daß eventuell noch im Darm vorhandene Drogencontainer hochgradig gesundheitsgefährdend sind. Deshalb sollte die Einnahme eines Abführmittels empfohlen werden und die weitere gesundheitliche Betreuung durch einen anderen Arzt.

Die Emetika-Gabe zum Zwecke der Beweissicherung nach §81a der Strafprozeßordnung hat eine juristische Zielsetzung, der sich die Rechtsmediziner nicht entziehen können, da sie im Auftrage der Strafverfolgungsbehörden handeln. Die weitere ärztliche Versorgung kann den betroffenen Personen nur angeboten werden, die Betroffenen können nicht gezwungen werden, sich in eine Behandlung zu begeben. Sie sollten aber eindringlich und verständlich auf die gesundheitlichen Gefährdungen hingewiesen werden, die sich aus dieser Form des Transports von Drogen ergeben.

Es ist nicht Aufgabe der Ärztekammer, zu den vom Anti-Rassismusbüro gemachten Vorwürfen in bezug auf einzelne Fälle Stellung zu nehmen. Diese Vorwürfe sind im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren bzw. durch die Dienstaufsichtsbehörden zu prüfen. Der Ärztekammer ist bekannt, daß von den Strafverfolgungsbehörden bislang keine strafbaren Handlungen festgestellt werden konnten, das gleiche gilt für disziplinarische Maßnahmen.

Dr. Auerswald, Präsidentin der Ärztekammer Bremen