: Opposition will politische Lösung für Abtreibungen
■ Der Bundestag wird vorerst nicht gegen das bayerische Abtreibungsrecht klagen
Berlin (taz) – Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sitzt in der Zwickmühle. Die Liberale, die sich im Namen ihrer Partei um eine Verfassungsklage gegen das bayerische Abtreibungsrecht kümmert, wird nicht das hierfür nötige Drittel aller Bundestagsabgeordneten auf ihre Seite ziehen können – vorerst zumindest nicht. Für SPD und Bündnisgrüne steht fest, daß zunächst alles versucht werden soll, um eine „politische Lösung“ zu finden. In den Reihen von CDU und CSU wird die FDP-Abgeordnete und ehemalige Bundesjustizministerin ebenfalls keine Klageanhänger finden. Erst gestern bescheinigte die CSU-Abgeordnete Maria Eichhorn den Liberalen eine „Profilneurose“ in dieser Sache. „Ohne Rücksicht auf den Zusammenhalt der Koalition stellen sich freidemokratische Bundestagsabgeordnete an die Spitze der Kritiker“, schrieb sie im CSU-Parteiorgan Bayernkurier. Der SPD und den Grünen attestierte Eichhorn eine realistischere Sicht der Dinge: „Sie haben erkannt, daß die FDP mit der Verfassungsklage lediglich ihr parteipolitisches Profil aufbessern will.“
Eine Verfassungsklage sei für ihre Partei nur das „allerletzte Mittel“, stellte die SPD-Frauenpolitikerin Ulla Schmidt gestern klar. Zusammen mit PolitikerInnen aller Parteien möchte sie ab der kommenden Woche sondieren, welche Wege gegen die bayerischen Sonderregelungen gangbar sind. Vorstellbar wäre etwa, die angekündigte Verfassungsklage zweier bayerischer Ärzte zu unterstützen. Beide führen vorwiegend ambulante Abtreibungen durch. Da die bayerische Regelung vorsieht, daß Ärzte künftig nur noch 25 Prozent ihrer Einnahmen aus Schwangerschaftsabbrüchen erzielen dürfen, müßten beide Ärzte ihre Praxen schließen. Nach Ansicht ihrer Klagevertreterin Monika Frommel ein Berufsverbot nach bayerischer Art.
Seit vergangenem Sonntag müssen Frauen in Bayern außerdem die Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch nennen, ansonsten wird ihnen der nötige Beratungsschein verweigert. Auch damit, so die einhellige Meinung von SozialdemokratInnen, Grünen und Liberalen, verstoßen die Bayern gegen das Bundesrecht. Denn dort heißt es explizit, daß keiner Frau die Beratungsbescheinigung verweigert werden darf. SPD und Grüne erwägen nun eine Konkretisierung des Bundesgesetzes. Ein Vorschlag der Grünen sieht unter anderem folgende Gesetzesergänzung vor: „Die Beratungsbescheinigung ist auch dann zu erteilen, wenn die Frau ihre Gründe für den Abbruch der Schwangerschaft nicht mitgeteilt hat.“ Ob eine solche Präzisierung nützt, bleibt fraglich. Die Strafrechtsexpertin Frommel ist skeptisch: Anschließend könnte das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluß kommen, daß das Bundesrecht doch noch Haken und Ösen hat. Und dann, so ihre Befürchtung, ginge die ganze Abtreibungsdebatte von vorne los. Kathrin Lohmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen