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Der Osten hat die Nase vorn

■ Die Bezirke bemühen sich in sehr unterschiedlicher Weise um die Umsetzung der Umweltziele von Rio de Janeiro. Einsatzfreudigkeit der BürgerInnen ist gefragt

Konkrete Projektplanung steht reiner Theoriebildung gegenüber, direkter Einsatz der Bezirksverwaltung ist ebenso zu finden wie die bloße Unterstützung bereits vorhandener Gruppen: Die Einsatzbereitschaft in den einzelnen Bezirken könnte nicht unterschiedlicher sein, was die Verbesserung der Umweltbedingungen angeht, wie es in der sogenannten „Lokalen Agenda 21“ der Weltumweltkonferenz von Rio de Janeiro beschlossen wurde. Insgesamt tun dabei die Ostbezirke deutlich mehr als die westlichen. Allerdings: Bei der praktischen Umsetzung ist bislang kein Bezirk angelangt.

In Reinickendorf besteht der Beitrag des Umweltamtes lediglich „im Dialog mit den in Reinickendorf tätigen Gruppen“, sagt Christine Müllenberg, Leiterin des ansässigen Umweltamtes. Genauer betrachtet handelt es sich dabei zudem nur um eine Gruppe – den „Reinickendorfer Umwelttisch“ –, der sich mit Fragen an das Umweltamt wenden kann.

In Steglitz ist man da schon einen großen Schritt weiter: Zwar wurden auch hier keine hauptamtlichen Kräfte zur Verfügung gestellt, doch auf freiwilliger Basis beteiligen sich einige MitarbeiterInnen aus der Verwaltung an fünf Arbeitsgemeinschaften. Dort sollen konkrete Projekte entwickelt werden, sagt Heike Schubert, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Steglitzer Umweltamtes.

Das hält Peter Schrage, Vertreter der ÖTV-Betriebsgruppe in Zehlendorf, für das falsche Ziel. „Wir sind doch keine neue Bürgerinitiative, sondern sollten Aktivitäten bündeln, die Diskussionsführung über Verbesserungsvorschläge übernehmen und die wichtigen Themen herausfiltern.“

Hellersdorf tut deutlich mehr. An der Erstellung einer Lokalen Agenda arbeiten zwei Mitarbeiter auf ABM-Basis. Sie organisieren Plattformen für die neun Arbeitsgruppen, in denen sich etwa 100 Personen engagieren, und sammeln deren Forderungen. Noch im Herbst werde der erste Forderungskatalog veröffentlicht, verspricht Arbeitsgruppen-Mitarbeiter Jürgen Noske. Geradezu vorbildlich sieht die Arbeit in Köpenick aus: Am Dienstag wird der erste Arbeitsentwurf vorgestellt. Die rund 200 Seiten starke Vorlage enthält bereits Vorschläge zu ganz konkreten Projekten, die bis zum Jahre 2010 verwirklicht werden sollen. Beispiele sind die Schaffung von Ost-West- und Nord-Süd- Partnerschaften unter anderem zum Austausch von Know-how und Technologie. „Ein ganz wichtiger Punkt ist auch, wieder einen ausgedehnten Uferwanderweg am Müggelsee zu schaffen“, sagt Bernd Menning vom Umweltamt.

Zur Koordination wurden im Umweltamt zwei Stellen geschaffen, die im nächsten Monat jedoch auslaufen. Die Weiterführung ist ungewiß. Menning: „Wir haben Angst, daß auf diese Weise die einmal gewonnene Dynamik verloren geht und motivierte Leute auf Dauer vielleicht abspringen.“

Die „Leitstelle der Lokalen Agenda 21 in Lichtenberg“ arbeitet unabhängig von der Bezirksverwaltung und im Auftrag eines privatwirtschaftlichen Unternehmens, der INU Umweltberatung & Analytik GmbH. Finanziert wird die Leitstelle mit 15 Mitarbeitern aus Fördermitteln und Geldern vom Bezirksamt. Alle sieben Gruppen sind im Moment dabei, erste Modelle der Handlungsempfehlungen zu beraten.

„Umwelt ist nicht nur eine Sache der Natur – der Mensch hat auch eine soziale Umwelt. Doch in allen Bezirken stehen erstmal die ökologischen Probleme im Vordergrund, weil diese im Gegensatz zu sozialer Ungerechtigkeit auf kommunaler Ebene vielleicht lösbar sind.“ Eine Vision in Lichtenberg ist die Stadt der kurzen Wege, bei der Wohnen, Arbeiten und Erholen möglichst dicht beeinander liegen.

Die brachliegenden Industrieflächen in Lichtenberg würden solche Modellversuche erlauben. Der Lichtenberger Bürgermeister Wolfram Friedersdorff (PDS) plant zusammen mit der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft die Sanierung der Plattenbausiedlungen unter ökologischen Gesichtspunkten. Neben der Fassaden- und Dachbegrünung soll auch der Energieverbrauch reduziert werden.

Bleibt die Frage der Koordination: „Man kann doch beispielsweise Verkehrsprobleme nicht auf Bezirksebene lösen. Dafür ist konkrete Zusammenarbeit notwendig“, meint ÖTV-Vertreter Peter Schrage. Im September wollte der Senat Foren zu ausgewählten Themen einrichten. Jetzt wurde diese Aktion auf Ende des Jahres verschoben. „Da steht wohl nicht der nötige Ernst hinter der Sache“, befürchtet Schrage. Ute Sander

Vorstellung der Lokalen Agenda in Köpenick, Dienstag, 10. September, 18 Uhr, Rathaus Köpenick.

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