: „Die Vorschläge der Arbeitgeber sind doch Pipifax“
■ Regina Görner (CDU) vom DGB-Vorstand will mit einer Abgabe dafür sorgen, daß mehr Betriebe ausbilden
taz: Wie vielen Schulabgängern gibt der DGB in diesem Ausbildungsjahr eine Chance?
Regina Görner: Wir bilden nicht aus. Unser Tätigkeitsspektrum ist zu eng, und die Leute haben erfahrungsgemäß am Arbeitsmarkt hinterher keine Chance. Aber wir sind bereit, unseren finanziellen Beitrag zu leisten.
... denn der DGB fordert, wer nicht ausbildet, soll zahlen ...
Heutzutage bilden 70 Prozent der Betriebe nicht aus. Die wenigen, die es dennoch machen, bilden Fachpersonal aus, das alle Betriebe brauchen. Deswegen müssen sich auch alle an den Kosten der beruflichen Ausbildung beteiligen. Die Wirtschaft ist verpflichtet, für die betriebliche Ausbildung zu sorgen. Das sagt auch das Bundesverfassungsgericht.
Mit der Abgabe sollen Ausbildungsbetriebe zurückgewonnen werden?
Ja. Wer allerdings keine qualifizierte Ausbildung leisten kann, muß sich an den Kosten beteiligen. Es gibt zudem genügend Betriebe, die die Infrastruktur und die qualitativen Voraussetzungen dazu haben, über den eigenen Bedarf hinaus auszubilden. Man kann von denen nicht erwarten, auf Dauer die Kosten dafür aufzubringen.
Wie hoch soll die Umlage sein?
Es läßt sich ziemlich genau voraussagen, wie viele Jugendliche nach jedem Schuljahr auf den Ausbildungsmarkt strömen. Wir wissen in etwa, wie teuer ein durchschnittlicher Ausbildungsplatz ist. Das beides multipliziert ergibt die Summe, die von den Betrieben einzuholen wäre.
Wie soll die Abgabe für einen Betrieb errechnet werden?
Die Höhe könnte sich an der Lohnsumme orientieren. Wer genug ausbildet, zahlt also nichts.
Wer die Abgabe zahlt, würde sich von der Ausbildung freikaufen können?
Derzeit kostet es nicht einmal eine müde Mark, sich von der Ausbildung zu verabschieden.
Der Staat kassiert und schafft Ausbildungsplätze. Studien belegen, daß die außerbetriebliche Ausbildung qualitativ nicht an die herkömmliche heranreicht.
Deshalb wollen wir aus der Umlage auch betriebliche Ausbildungsplätze finanzieren. Das Vergabeverfahren ist einfach. Die Verwaltungsausschüsse der Arbeitsämter vor Ort analysieren den Bedarf und „kaufen“ die zusätzlichen Lehrstellen bei den Betrieben ein. Das kann ganz unkompliziert ablaufen. Der Qualität der Ausbildung muß das keineswegs schaden.
Für die CDU ist die Umlage indiskutabel. Einige SPD-Politiker befürworten sie – verbal. Zu einer Gesetzesinitiative hat sich noch kein SPD-Land hinreißen lassen. Wie wollen Sie das Modell durchsetzen?
Wir können uns nicht aussuchen, wann die SPD in die Gänge kommt. Wenn man sieht, wie viele Jugendliche leer ausgehen, müßten bei den Politikern alle Alarmglocken schrillen. Immerhin hat die Jugendministerkonferenz empfohlen, die Wirtschaft müsse über Umlagesysteme nachdenken. Da sitzen auch CDU-Politiker drin. Die Ausbildungsvergütungen zu senken, wie Arbeitgeber fordern, ändert überhaupt nichts. Deren Vorschläge sind doch Pippifax! Wir brauchen die Umlage, denn niemand hat einen besseren Vorschlag.
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