: Klappe für Blut und Spiele
■ Das 10. Fantasy Filmfest war ein Publikumsrenner
„Wo ihre Alpträume enden, beginnt das Fantasy Filmfest“, raunte der Trailer in hinreißend dramatischer Typographie am Mittwoch zum letzten Mal. Dann feierte noch einmal ein Großstadthimmel auf der Leinwand Polterabend, schnellen liebevoll gebastelte Untertassen aus 50er-Jahre-B-Movies durch die Luft. Vielbeklatschter Hit bleibt jedoch der Filmausschnitt, in dem ein Gorilla mit ungestümer wie tödlicher Leidenschaft einen Brillenträger an die Brust drückt.
Rund 11.000 Besucher bevölkerten in diesem Jahr das Metropolis, Streit's und Fama. Immerhin 3000 mehr als im Vorjahr. Für die Veranstalter, Hans-Peter Jansen, Schorsch Müller und Rainser Stefan, ermutigend genug, um anzukündigen, daß im nächsten Jahr das Streit's nicht nur abends, sondern ganztägig Festivalfilme zeigen wird.
Diesmal gab's keine US-Blockbuster, dafür viele europäische und fernöstliche Premieren und leider wenig Phantastisches aus unendlichen Weltallsweiten.
Neben dem spanischen Eröffnungsfilm El Dia de la Bestia, der in aller Muffigkeit, die eigentlich den Splatter der 70er Jahre ausmachte, einen unverhohlenen Antikatholizismus feiert, stach vor allem Gonin von Takashi Ishi heraus. Eine verwirrend montierte Geschichte aus dem Rotlichtsumpf Tokios. Ein Diskobetreiber, der bei Unterweltsregenten in der Kreide steht, versucht, seine Haut und die seines Geliebten zu retten. Würdelos stirbt er schließlich auf einer Herrentoilette, in den Armen seines Freundes und das minutenlang.
Ergreifend auch der anschließende Selbstmordversuch des Hinterbleibenden, der zunächst, an einen Anker gefesselt, einen Sprung ins Hafenbecken erwägt. Dann entscheidet er sich für's Weiterleben, an dem ihn nun das inzwischen strangulierende Seil ernsthaft hindert. Ein Film, in dem purer Sozialdarwinismus herrscht und alle Werte japanischer Kampftraditionen nur noch einen Dreck wert sind. Und wenn ein Killer nach Hause kommt, in langen Unterhosen und Pantinen nach dem Schnittchenteller ruft, trägt Gonin die Regeln der Straße bis in die japanische Kleinfamilie und ihre Unterdrückungsrituale aufs Amüsanteste hinein.
Eine weitere Überraschung:Project: Assasin, der wie The Last Supper WG-Idyllen als trefflichen Ort des Grauens neu entdeckt. Ein je-susähnlicher Fremdling löscht per Virus die einstige Bastion gegen Kleinbürgerlichkeit und zugeschraubte Zahnpastatuben.
Nicht alle Beiträge lösten das vollmundige Versprechen des Trailers ein. Da wandelt Armin Müller-Stahl in Taxandria als Ordnungshüter durch ein totalitäres Märchenland, das Regisseur Raoul Servais als kunstgewerblich surrealistische Landschaft präsentiert. Und wenn der ostdeutsche Mime mit Blick auf den Mauerfall ein tränenwarmes Edikt auf das Gut der Freiheit anstimmt, ist das kein Witz, sondern ein ungetrübtes Glaubensbekenntnis zum Traum vom schönen, bunten Westen.
Birgit Glombitza
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