Erbarmen aber kein Asyl

■ Abgelehnter Asylbewerber aus Zaire findet in Vahrer Gemeinde Kirchenasyl

Tobende Kinder spielen auf der Wiese vor der Heilig-Geist-Gemeinde in der Vahr. Jean Nsotuna kann sie vom Fenster aus beobachten – und wird es noch einige Wochen tun. Der abgelehnte Asylbewerber hat bei Pastorin Jutta Blanke jetzt Kirchenasyl gefunden. Vor zwei Wochen kam der 38jährige in die Vahr – an diesem Tag sollte er Deutschland für immer verlassen.

„Asyl in der Kirche ist ein altes Rechtsgut aus dem Mittelalter und das schöpfen wir aus“, sagt Pastorin Jutta Blanke. Nicht nur humanitäre Gründe hätten sie zu diesem Schritt veranlaßt. „Die evangelische Kirche findet es politisch unhaltbar, daß abgelehnte Asylbewerber ins Verfolgerland abgeschoben werden und dort auf ihr Folgeverfahren warten müssen.“ Vor diesem Schicksal soll Jean Nsotuna jetzt bewahrt werden. Seine Rechtsanwältin Gerda Baudisch-Cimen hat für ihn einen Asylfolgeantrag gestellt. „Bis der akzeptiert wird, soll Jean bei uns bleiben“, sagt die Pastorin. Daß Jean nicht als politisch Verfolgter anerkannt wurde, kann Blanke nicht verstehen. „Wir glauben, was Jean uns erzählt. Wenn er nach Zaire abgeschoben wird, droht ihm Gefahr für Leib und Leben.“ „Unglaubwürdig“ befanden die Richter des Bremer Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht und wiesen Jeans Klage zurück. Weder „das behauptete Verfolgungschicksal“ noch sein aktives politisches Engagement als Gegner des diktatorischen Mobutu-Regimes in Zaire hatten sie für bare Münze genommen. Thomas Stapke vom „Menschenrechtsverein Bremen“ ist deshalb auf die Richter nicht gut zu sprechen: „Die haben noch nie einen afrikanischen Asylbewerber anerkannt.“ Eine Beschuldigung, die Verwaltungsrichter Carsten Bauer strikt von sich weist, doch positive Urteile fallen ihm auch nicht ein. Daß sie Nsotunas Fall „dezidiert geprüft“ haben, „daran kann ich mich aber noch erinnern“, so Bauer. „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht.“

Zu leicht finden Menschenrechtler Stapke und Pastorin Blanke: Von Folter, Elektroschocks, Prügel und psychische Quälereien – davon erzählt Jean Nsotuna im Gemeindesaal und seine Augenbrauen ziehen sich schmerzhaft zusammen. Zwei Jahre und acht Monate sei er im zentralen Militärgefängnis Malaka von Wächter geschunden, geschlagen und erniedrigt worden – weil er Mitglied der größten Oppositionspartei Zaires ist, der „Union für Demokratie“ (UDPS). Darauf wisse Diktator Sese Seko Mobutu nur eine Antwort: politische Verfolgung durch die „Garde Civil“, die laut Jean von deutschen Polizisten ausgebildet wird. Im Oktober 1990 schmuggelte Jean mal wieder geheime Papiere für die Partei von Kongo nach Zaire. Im Hafen von Kinshasa wird er festgenommen: dreieinhalb Monate Militärlager in Maluku, hießen für Jean Tage der Folter und Demütigung: „Ich hatte keine Perspektive mehr“. Durch einen Zufall gelingt die Flucht: Jean flieht nach Kongo und wird dort als politischer Flüchtling anerkannt. Trotzdem wird seine Wohnung gestürmt, er wird nach Zaire verschleppt und in das Militärgefängnis Malaka gebracht. Nationalhymnen singen zum morgendlichen Fahnenapell, Toiletten mit bloßen Händen säubern und tägliche Vergewaltigungen – „das kennt man ja von Amnesty International“, sagt Jean und faltet ruhig die Hände.

Daß er nach zwei Jahren schließlich durch einen Wächter Kontakt zu seinem Rechtsanwalt aufnehmen konnte, brachte ihn wieder in die Freiheit. Eine Freiheit, die mit dem Zwang zum wöchentlichen Polizeibesuch endete. „Die hatten mich nur auf Bewährung entlassen“, so Jean. Wieder sei er willkürlich in Zellen gesperrt und nur mit Schutzgeld freigekommen. „Mir war klar, daß ich das Land verlassen muß“, sagt Jean, der im Februar 1995 mit falschen Papieren in Frankfurt landete.

Für ihn ist der Folgeantrag von Rechtsanwältin Gerda Baudisch-Cimen die letzte Chance.

Auf 30 Seiten will die Juristin beweisen, daß Jean auch in Bremen für die Exil-UDPS aktiv war und deshalb bei der Rückkehr politische Verfolgung droht.

Der Honorarkonsul von Zaire, Ansgar Werner, soll bei einer Veranstaltung von Jean dabei gewesen sein. „Dafür haben wir Beweise, die wir für Zaire nicht hatten.“ Oberverwaltungsgerichte in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt hätten dies bereits als Asylgrund anerkannt.

Jean verabschiedet Freunde im dunklen Gemeindeflur, die schließlich auf den sonnigen Gemeindehof treten. Mit Äxten und Schlagstöcken haben 1.000 Polizisten Ende August die Pariser Kirche Saint-Bernard geräumt, in der 300 abgelehnte Asylbewerber in Hungerstreik getreten waren. Vor zwei Tagen hat der bayrische Innenminister Günther Beckstein das Kirchenasyl gebrochen und einen Togoer in Gemeinderäumen festnehmen lassen. Die Risiken des Kirchenasyls seien bekannt, hieß es lapidar. Zwei armenische Familien finden seit Wochen in Bremen Kirchenasyl, jetzt ist Jean Nsotuno als zweiter Schutzsuchender dazugekommen. Das Bremer Innenressort verhält sich bisher still.

„Das ist unsere politische Linie“, sagt Sprecherin Merve Schröder.

„Wir werden am Montag alles Weitere beraten“ kat