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Paul und Pablo

■ Die Klassische Moderne kehrt nach Berlin zurück: Die Sammlung Berggruen im ehemaligen Antikenmuseum

Es ist soweit: Mit einem Festakt in der Orangerie des Charlottenburger Schlosses, zu dem neben Bundespräsident Roman Herzog, dem Regierenden Bürgermeister von Berlin Eberhard Diepgen und natürlich Heinz Berggruen selbst rund 500 geladene Gäste aus dem In- und Ausland erschienen, ist gestern in Berlin ein neues Museum eingeweiht worden.

Sein Name steht noch nicht fest. „Picasso und seine Zeit. Die Sammlung Berggruen“ heißt etwas irreführend die Dauerausstellung, die in ihm zu sehen ist. Vielleicht wird man es irgendwann Picasso- Museum nennen oder, noch besser, Museum Berggruen, wer weiß. Sicher ist, daß der Sammlung, die der Kunsthändler und Antiquar Heinz Berggruen im Lauf eines halben Jahrhunderts zusammengetragen hat und nun für zunächst zehn Jahre in die Obhut der Berliner Nationalgalerie gibt, die Rolle einer Publikumsattraktion erster Güte zugedacht ist. Bereits Wochen vor der Eröffnung war „Picasso und seine Zeit“ von den Hauptstadtvermarktern „Partner für Berlin“ flächendeckend und unübersehbar plakatiert worden.

Was im ehemaligen Antikenmuseum am Schloß Charlottenburg, das eigens für die Sammlung Berggruen für rund 10 Millionen Mark umgebaut wurde, ab Sonntag präsentiert wird, ist in der Tat eine Reise wert. Der 82jährige Heinz Berggruen ist ein Sammler von seltenem Kaliber, einer, dem die Kunst Lebenselixier bedeutet, darüber hinaus ein Zeitzeuge und Geistesmensch, der mit dem Egomanen Picasso so eng befreundet war, wie man mit Picasso nur befreundet sein konnte.

Die Zahlen sprechen für sich: 68 Zeichnungen, Aquarelle und Ölgemälde aus den wichtigsten Schaffensperioden von Pablo Picasso, dazu Werke von Paul Cézanne, Vincent van Gogh, Paul Klee und Alberto Giacometti – das gibt es sonst in keinem anderen Museum in Deutschland. Zu den Spitzenstücken des neuen Museums zählen Picassos Porträt seines Jugendfreundes und Förderers Jaime Sabarts aus dem Jahr 1904, der „sitzende Harlekin“ von 1905, das kubistische Bildnis Georges Braques (1909–1910), die „Frau mit buntem Tuch“ von 1939 und der „Matrose“ (1938), für den der Dichter Paul Éluard Modell gesessen haben soll.

Von herausragender Qualität sind auch Vincent van Goghs „Herbstgarten“ von 1888 oder etwa Cézannes „Weg in Chantilly“, in dem sich des Künstlers Weg in die Abstraktion ankündigt und das ebenfalls auf das Jahr 1888 datiert wird. Doch der Schwerpunkt der Sammlung Berggruen liegt neben Picasso auf Paul Klee, von dem besonders die Gemälde und Aquarelle der frühen zwanziger Jahre auffallen: Etwa „Der große Kaiser reitet in den Krieg“, der „Fliegersturz“ (beide von 1920) oder die „Zimmerperspektive mit der dunklen Tür“ von 1921. Alles Bilder von Künstlern, die nach den „Säuberungen“ der Nazis von 1937 in der Berliner Nationalgalerie bis dato eklatant unterrepräsentiert waren. Diese „schmerzliche Lücke“, so Werner Knopp, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, so gut es irgend geht aufgefüllt zu haben, dürfte neben der eigentlichen Sammlertätigkeit das zweite große Verdienst des in Berlin geborenen, 1936 von den Nationalsozialisten aus seiner Heimatstadt vertriebenen Heinz Berggruen sein.

Und möglicherweise hat Berggruens Entscheidung Folgen von nicht absehbarer Tragweite. Seine Geste ist in Emigrantenkreisen offenbar heftig diskutiert worden. Jedenfalls bedeutet die Rückkehr eines durch die Nazis Vertriebenen die Wiederherstellung von Normalität, die sich in Deutschland die meisten sehnlichst wünschen. Jemanden wie Berggruen mit offenen Armen und der Aussicht auf ein eigenes Museum empfangen zu haben, war für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz das Gebot der Stunde.

In so einer Situation treten Zweifel an der Konzeption des Berggruen-Museums in den Hintergrund. Daß die intime, aus ungebrochener Subjektivität hervorgegangene Sammlung Berggruens von der privaten Sphäre ins grelle Licht der Öffentlichkeit geholt wurde, spielt angesichts ihres Ranges eine vernachlässigenswerte Rolle. Schon die Gründung des ersten Kunstmuseums in Berlin ging auf die Schenkung eines hiesigen Kaufmannes zurück. Sammler haben seit jeher ihren Anteil an der Kunstgeschichte. Nur hatte man ihnen bis dahin das Feld nicht allein überlassen.

Ideal ist die jetzige Konstellation nicht. Auch einen Monolithen wie Picasso kann erst verstehen, wer weiß, was sich in der Zeit sonst noch ereignet hat. Die tendenziell unhistorische Isolierung bestimmter Kunstrichtungen nach ästhetischen Gesichtspunkten hat Tradition in Berlin. Angefangen hat es mit der 1987 als Glanzlicht der 750-Jahr-Feier aus der Taufe gehobenen Galerie der Romantik. Sie zeigt besonders deutlich jene Neigung, Kunst aus dem zeitlichen Zusammenhang zu reißen. Ein Museum aber sollte das genaue Gegenteil leisten. Es erhält seine eigentliche Existenzberechtigung durch die Möglichkeit zum direkten Vergleich zwischen den unterschiedlichsten künstlerischen Ausdrucksformen. In der Londoner National Gallery, wo sich Berggruens Schätze in den letzten Jahren befanden, waren sie in die übrige Sammlung integriert. Aus gutem Grund, alles andere ist letztlich Augenwischerei. In Berlin hat das Methode: Demnächst eröffnet die Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof ihre Dependance für aktuelle Kunst. Momentan gibt es nur einen, der das Haus mit seinem Besitz füllen wird: Kunstsammler Erich Marx. Ulrich Clewing

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