piwik no script img

Zwei Politiker aus einem Ei

■ Wie sich Kandidaten von SPD und CDU im Landkreis Oldenburg gleichen

Im Landkreis Oldenburg müssen die WählerInnen bei der Kommunalwahl 1996 besonders genau hinschauen. Von den Kandidaten der CDU und der SPD für den Kreistag und für den Gemeinderat von Hatten gleichen sich zwei wie ein Ei dem anderen: von den eineiigen Zwillingen Knut Brammer (41) und Axel Brammer (41) tritt der acht Minuten ältere Knut für die CDU an. Axel will wieder für die SPD in den Gemeinderat und erstmals auch in den Kreistag.

Gesichtszüge und Körperform gleichen sich. Vollbart tragen sie beide. Daß Knut als Nicht-mehr-Raucher ein paar Kilo mehr auf die Waage bringt als Raucher Axel, fällt kaum auf. Als Geheimtip für Unsichere gilt, daß Axel seit einem Arbeitsunfall ein Stück vom rechten Daumen fehlt. Was man den Kandidaten nicht ansieht: Axel ist Facharbeiter, Knut ist selbständiger Handwerksmeister. Damit die Verwechselungen begrenzt bleiben, trägt Knut bei Wahlkampfeinsätzen gelegentlich einen schwarz-rot-goldenen Schal mit dem Schriftzug „CDU“. Axel streift sich dafür einen roten Pulli mit den drei Buchstaben seiner Partei über.

Der Unterschied in der beruflichen und gesellschaftlichen Stellung habe auch Folgen fürs politische Weltbild und erkläre die Partei-Differenz zum Bruder, glaubt zumindest Axel. Vor allem in der Sozialpolitik beurteile Bruder Knut die Dinge eher aus Unternehmersicht. Er, Axel, sehe dagegen vieles mit den Augen eines Arbeiters und Betriebsrats. „Ich habe genug erlebt als Drucker“, unterstreicht er. „Da können wir uns schon mal fetzen“. Meist gehe es aber friedlich zu. In einigen kommunalpolitischen Fragen verblaßten gar die Parteifarben.

Von „fetzen“ mit SPD-Axel will CDU-Zwilling Knut nicht reden. Aber für Distanz sorge, daß seine Partei weniger, die von Axel mehr umverteilen wolle. Nicht Feindschaft, sondern Kompromisse sollten bei Kontroversen herauskommen, besänftigt Knut. Denn als Malermeister stehe er „jeden Tag hinter dem Pinsel“ und wisse, „wie Geselle und Lehrling denken.“

Auch Mutter Elisabeth Brammer (67), hatte Probleme beim Auseinanderhalten der beiden Jungen. „Da hat schon mal einer die Strafe für den anderen kassiert“, erinnert sie sich. Daß Baby Axel die Milch aus der linken und Knut die aus der rechten Brust bekam, sei zwar Tatsache aber vermutlich ohne Einfluß auf die spätere Parteiwahl.

Manfred Protze, dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen