: Ein Museum rehabilitiert sich endlich
■ Die Porzellan-Ausstellung „Lissabon-Hamburg. Fayencenimport für den Norden“
Am vergangenen Donnerstag wurde im Museum für Kunst und Gewerbe die Ausstellung „Lissabon-Hamburg. Fayenceimport für den Norden“ eröffnet. Hinter dem nüchternen Titel verbirgt sich eine Ausstellung, die als kunstgeschichtliche Sensation einzustufen ist. Denn sie korrigiert einen historischen Irrtum, den Justus Brinckmann, Gründer des Museums, vor über 100 Jahren „verschuldet“ hat.
Damals begann er, Krüge, Schalen und Schüsseln zu sammeln, die an chinesisches Porzellan der späten Ming-Dynastie (16. Jh.) erinnern. Doch während das chinesische Porzellan jener Zeit nur für gekrönte Häupter erschwinglich war, gehörten die hier gesammelten Fayencen Hamburger Bürgern, deren Namen und Familienwappen sie sogar teilweise tragen.
Was lag für Justus Brinckmann näher, als von einer einheimischen Produktion auszugehen? Doch obwohl es im frühen 17. Jahrhundert keine Keramikwerkstätten in Hamburg gab und die motivischen Gestaltungen eindeutig auf Portugal verweisen, hielt sich diese Bezeichnung bis heute.
Erst der holländische Archäologe Jan Baart brachte Bewegung in die Diskussion, als er Anfang der 80er Jahre im ehemaligen Amsterdamer Sefardenviertel Vlooyenburg auf Keramiken stieß, die den sogenannten Hamburger Fayencen sehr ähnelten.
Es handelte sich um Ware, die sefardische Kaufleute aus ihrer alten Heimat Portugal für ihre neuen Mitbürger importiert hatten. Eine Ausstellung (1987), in der Lissaboner Fayencen und Amsterdamer Funde gegenübergestellt wurden, machte dies deutlich. Jan Baarts behauptet die Hamburger Museen wären seiner Einladung nicht gefolgt, ihre Hamburger Fayencen gleichzeitig auszustellen ( taz vom 11.5.1990) und sie damit endgültig auch als sefardische Importware auszuweisen, weil sie für die Hamburger Museologen angeblich zu kurzfristig kam.
Inzwischen jedoch haben Johanna Lessmann und Ulrich Bauche über 60 Exponate zusammengetragen und in einer sehenswerten Ausstellung präsentiert. Die Objekte dokumentieren die kulturhistorische Bedeutung der Portugiesen für die Hansestadt. Ihrem Kosmopolitismus und ihren weltweiten Handelsbeziehungen verdanken die Hamburger den Import von Luxusgütern, wie den Fayencen und vor allem von Gewürzen und Zuckerwaren.
Schade, daß die Eröffnung der Ausstellung im Gewühl zweier gleichzeitig stattfindender Eröffnungen (David Carson und A.T. Schaefer) ein wenig untergegangen ist.
Peter Koj
Bis So, 17. November, Museum für Kunst und Gewerbe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen