: Kulturverwaltung kann nicht rechnen
■ Mit falschen Zahlen brachte die Kulturverwaltung eine Computerfirma möglicherweise um einen lukrativen Auftrag
Mit merkwürdigen Manipulationen bei einer öffentlichen Auftragsvergabe beschäftigt sich heute der Unterausschuß für Kommunikationstechnologie des Abgeordnetenhauses. Möglicherweise haben MitarbeiterInnen der Kulturverwaltung das Preisangebot einer Firma eigenhändig um 8,8 Millionen Mark erhöht. Das zu hohe Angebot wurde dann als Rechtfertigung dafür benutzt, dem Unternehmen einen lukrativen Auftrag nicht zu erteilen.
Nach einem Bericht von Kultursenator Radunski (CDU) an den Unterausschuß hatte die Datenkommunikations-Firma Dynix GmbH angeboten, die Berliner Stadtbibliotheken für 26 Millionen Mark mit modernen Computerprogrammen und Rechnern auszurüsten. Damit war Dynix um 7,5 Millionen Mark teurer als die Firma BB-Data Systemhaus, eine Tochter der Bankgesellschaft Berlin. BB-Data, so der Bericht, will die Vernetzung der Bibliotheken für nur 18,5 Millionen Mark verwirklichen. Mit der Banktochter als billigster Anbieterin schloß die Kulturverwaltung am 30. Mai schließlich den Vertrag.
Die Firma Dynix bestreitet jedoch, jemals einen Preis in Höhe von 26 Millionen genannt zu haben. Verkaufsleiter Eric Heiligenstein: „17,2 Millionen Mark war unser höchstes Angebot.“ Damit wäre Dynix billiger gewesen als BB-Data und hätte den Zuschlag erhalten müssen.
Die Summe von 26 Millionen Mark ist vermutlich das Ergebnis einer Rechenoperation der Kulturverwaltung. Zum niedrigen Dynix-Angebot addierte man noch die Kosten für eine teure Datenbank, obwohl eine vollwertige Datenbanklösung im Dynix-System schon enthalten ist. Die zusätzliche Datenbank hält die Kulturverwaltung für notwendig, um das neue System mit den schon bestehenden Anlagen des Landes verknüpfen zu können.
Auch von bibliothekarischer Seite gerät der Vertrag mit BB- Data mittlerweile in die Kritik. Reinhard Spiller, Abteilungsleiter beim Deutschen Bibliotheks-Institut: „Die jetzt gewählte Lösung ist auf Berlin isoliert.“ Denn der schnelle Datenaustausch mit anderen Bibliotheken in der ganzen Welt – eine Notwendigkeit in den kommenden Jahren – sei mit der Software von BB-Data bislang nicht gewährleistet.
Das Institut arbeitet als oberste Beratungs- und Forschungseinrichtung aller bundesdeutschen Bibliotheken. In einer ähnlichen Ausschreibung wie die der Kulturverwaltung hat sich das Institut vor kurzem nicht für BB-Data, sondern für Dynix entschieden. Demnächst werden die Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg mit der Software vernetzt.
Berlin aber bleibt bei dem entstehenden Verbund außen vor. „Eine katastrophale Fehlentscheidung“, urteilt Arnold Krause, Vertreter der Bündnisgrünen im Ausschuß des Abgeordnetenhauses. Hannes Koch
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