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Guter oder böser Abfall?

Das Gift aus der Elbe: Trotz neuem Gesetz keine Kontrolle, denn Senat definiert Hafenschlick als „Abfall zur Verwertung“  ■ Von Silke Mertins

Über das behördenübergreifende Spitzengespräch mit Bürgermeister Henning Voscherau gibt es nicht einmal ein Sitzungsprotokoll. Denn es galt die prekäre Frage zu klären, ob Hamburg zukünftig auf einem Riesenberg Hafenschlick sitzenbleibt. Bisher hatte der Senat den zum Teil schwer belasteten Schlick als „Wirtschaftsgut“ definiert und auf den städtischen Deponieflächen Francop und Feldhofe aufgeschüttet oder verbaut. Nun wird mit dem neuen „Kreislaufwirtschaftsgesetz“ des Bundes, das am 1. Oktober in Kraft tritt, auch das sorgsam zum Nicht-Müll erklärte Baggergut aus der Elbe zu Abfall.

Aber, so die bange Frage des Senats, ist es nun guter oder böser Abfall? Denn das neue Gesetz unterscheidet zwischen Abfall zur Ent-sorgung (böse) und Abfall zur Verwertung (gut). Eine Arbeitsgruppe aus Umwelt-, Wirtschafts- und Stadtentwicklungsbehörde zerbrach sich den Kopf, ließ mehrere Gutachten erstellen und kam zu dem Ergebnis: guter Abfall. Der Senat bestätigte die Definition mit einem Beschluß.

„Das neue Gesetz ist intern geprüft worden“, ist Umweltbehördensprecher Kai Fabig ganz unaufgeregt. „Und wir sind zu dem Schluß gekommen, daß sich grundsätzlich nichts ändert.“ Zwar sei jetzt die Trennung zwischen Abfall und „Wirtschaftsgut“ aufgehoben, doch die rechtlichen Bestimmungen blieben bestehen.

Denn Hafenschlick wird laut Definition nicht einfach auf Deponien abgeladen, sondern verwertet: „Das ist eine Art Verwertung zur Landschaftsgestaltung“, lautet die unfreiwillig komödiantische Erklärung von Wirtschaftsbehördensprecher Rainer Erbe. Denn mit den 300.000 jährlichen Tonnen, die aus dem Hafenbecken und der Elbe gebaggert werden, um die Fahrrinne für die großen Schiffe tief zu halten, werden Hügelchen in die hanseatische Flachlandschaft gebaut.

Das Baggergut aus der Elbe enthält „alles, was die Chemie zu bieten hat“, so der GAL-Umweltreferent Thomas Kleineidam: Schwermetalle, Pestizide, Herbizide und dergleichen Unappetitliches mehr. Weil der Hafenschlick je zur Hälfte aus sandigen und tonigem Boden besteht, wird er in der Francoper METHA-Anlage (Mechanische Trennung von Hafenschlick) getrennt. Sand nimmt kaum Schadstoffe auf und wird deshalb zur Baumaterial vearbeitet. Das jedoch wird nur in den Deponien verwendet. Alle anderen Möglichkeiten, den Hafenschlick wirklich zu verwerten oder die Belastung zu verringern, sind noch unausgereift.

Kleineidam glaubt nicht, daß alles beim alten bleibt: Das neue Gesetz „kostet Zeit, kostet Geld und bringt Proteste und Klagen“. Klagen aber sind eine Horrorvision für den Senat. Wenn nämlich zum Beispiel die Salzkavernen der Firmain Stade (Dow Chemical), wo der Hafenschlick künftig via Pipeline hingepumpt werden soll, nicht mehr als „Verwertungs“-Einrichtung angesehen werden, sondern als Sondermülldeponie, bricht das ganze Definitions-Kartenhaus um den Abfall zusammen. Und das kann teuer werden.

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