Schweine verseucht bis auf die Knochen

■ Sieben von zehn Masttieren haben Antibiotika-Reste in ihren Knochen. Untersuchung mit UV-Strahlen an 17.150 Schweinen bringt brisanten Befund ans Licht. Besonders saures Fleisch birgt Gesundheitsrisiken für Verbraucher

Berlin/Borken (taz) – Deutsche Schlachtschweine haben in ihren Knochen in erheblichem Maße Antibiotika-Rückstände eingelagert. Unter 17.150 in Nordrhein-Westfalen untersuchten Mastschweinen stießen Veterinäre bei sieben von zehn Schweinen auf deutliche Rückstände von Tetracyclinen. Unbelastete Tiere waren die Ausnahme.

Auch Ferkel und Zuchtsauen hatten in ihren Knochen das Arzneimittel eingelagert. 15 Prozent der Mastschweine wiesen „sehr starke“ Rückstände auf. 25 Prozent der Befunde wurden als „mittelstark“, 29 Prozent als „schwach“ eingestuft. Der Fleischhygieniker Stephan Wegmann, der die Untersuchung durchführte, warnte Schweinemäster, Tierärzte und Arzneimittelhersteller: Der kurzfristige Erfolg des „massiven Einsatzes von Tierarzneimitteln“ kehre sich ins Gegenteil um.

Gefährlich werden die Arzneimittel- Rückstände in den Knochen vor allem bei „sauren“ Zubereitungen, wenn der pH- Wert absinkt. In Sauerkraut mit Rippchen, in saurem Preßsack oder in mariniertem Knochenfleisch können die Tetracycline aus den Knochen gelöst werden. Auch im Suppenfleisch könnten Arzneimittelspuren frei werden.

Ein zweiter Übertragungsweg ist nicht weniger brisant: In den Tierkörperbeseitigungsanstalten werden Schweineknochen zu Knochenmehl verarbeitet. Die dabei verwendeten Temperaturen reichen nicht aus, um die Tetracycline zu zerstören. Über das Knochenmehl „gelangen sie wieder in den Kreislauf“, so Wegmann. Es wird an Mastschweine verfüttert, die dann wieder auf dem Teller landen.

Werden Antibiotika-Rückstände aus der Tiermast von Menschen aufgenommen, besteht die Gefahr von Resistenzbildungen. Vom Arzt verschriebene Tetracycline wären dann bei einer humanen Infektion nicht mehr wirksam. Weltweit sind Resistenzen ein großes Problem, an denen jährlich Tausende von Patienten sterben. Gegen Tetracycline sind bereits 50 Prozent aller Keime resistent.

Das Robert-Koch-Institut in Berlin hatte schon Anfang des Jahres vor dem Arzneimittelmißbrauch in der Tiermast gewarnt und auf die Gefahr von Resistenzbildungen hingewiesen: „Seit einigen Jahren mehren sich die Berichte über Infektionen mit Enterokokken (Bakterien, d. Red.), die gegen Glykopeptid-Antibiotika nicht mehr empfindlich sind. Eine Ursache ist vermutlich der Einsatz von Glykopeptiden in der Viehzucht.“

Jetzt rücken mit den Tetracyclinen weitere Antibiotika in die Kritik. Tetracycline sind preiswert und stehen an zweiter Stelle beim Umsatz aller Tierarzneien in Deutschland. Häufig wird das Mittel bei der Neueinstallung von Tieren oder bei Umsetzungen prophylaktisch gegeben. Prof. Hans-Jürgen Hapke, Vorsitzender der Zulassungskommission für Tierarzneimittel, weist auf das breite Wirkspektrum hin. Diese Antibiotika werden immer dann gegeben, „wenn es schnell gehen muß und wenn nicht ganz klar ist, um welche Keime es sich handelt.“ Zudem wirken Tetracycline „leistungsfördernd“, die Tiere nehmen schneller zu.

Vermutungen über die Speicherung der Antibiotika in Knochen gibt es seit langem. Mit Hilfe von UV-Strahlung konnte Wegmann die Rückstände jetzt sichtbar machen. Das Fleisch selbst war nicht belastet. Die Tetracycline fluoreszieren gelb, sie „leuchten“, wenn sie mit UV-Licht bestrahlt werden. Gerade angesichts der Rinderseuche BSE dürften leuchtende Schweineknochen „nicht geeignet sein, das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen“, bilanziert Wegmann.

Im nordrhein-westfälischen Ministerium werden die brisanten Befunde derzeit ausgewertet. Ministerin Bärbel Höhn drängt seit langem auf schärfere Bestimmungen für den Arzneimitteleinsatz in der Nutztierhaltung. Manfred Kriener