: Gerechtigkeit für das fernöstlich Andere
■ Ken'ichi Mishima und Peter Fuchs diskutierten das Bild von Japan
Die zur Zeit in Hamburg stattfindenden Japan-Wochen machten es möglich: Ken'ichi Mishima war zu Gast im Literaturhaus. Der Philosoph und Kulturwissenschaftler aus Osaka sollte sich in der gut besuchten Veranstaltung mit dem Soziologen Peter Fuchs über das richtige Bild des fernöstlichen Inselstaates streiten. Japan – das Andere unserer europäischen Kultur? Das geheimnisvolle und insgeheim bewunderte Land der Kirschblüten und des High-Tech?
Oder vielleicht doch nicht so ganz anders? Auch Japan vefügt über eine uns allemal vertraute feudalistische Vergangenheit, gefolgt von den handelsüblichen Entwicklungsstufen: Kolonialismus, Imperialismus, bis hin zur Universalität der Warenform.
Angesichts dieser beiden Alternativen wollte sich der Systemtheoretiker Peter Fuchs allerdings nicht beruhigen, denn: Egal, welche Bilder wir uns von dem Fremden-Anderen-Exotischen-Unheimlichen machen, sie sind immer nur unsere eigenen Selbstverständigungsroutinen. – Na? Tolle Erkenntnis! Das half uns jetzt echt weiter. Aber was kommt dann? Ganz einfach, zugeschaut und mitgebaut, ein System!
Die Systemtheorie untersucht Kommunikationen, insoweit sie systemischen Charakter haben: Das individuelle Bewußtsein ist in diesem Sinne genauso ein System wie die Regelkreisläufe einer Heizungsanlage. Wenn es leckt, kommt der Klempner. Der heißt dann Super-Mario und gehört zum japanischen Konzern für Computerspiele Nintendo. Soweit zum Verhältnis zwischen Systemtheorie und Japan.
Kehren wir zu Ken'ichi Mishima zurück. Er beschreibt das Verhältnis zwischen Europa und Japan ein wenig seriöser. Die europäische Moderne gewinnt ihr Selbstverständnis im Bezug auf das ihr Andere, und das bedeutet sowohl Fluch als Segen. Sei es als Kolonialismus oder emphatischer Exotismus, das moderne Bewußtsein ist besessen vom Anderen.
Ermöglichung wie auch Zerstörung des ihr Anderen kennzeichnen auch das Verhältnis Europas zu den Japanern. Diese Gegenüberstellung allerdings, so betont Mishima, ist eine ideologische Konstruktion. Sie fixiert Unterschiede, wo eher von Übergängen und Unschärfen zu reden wäre. Dieses Geschehen ist gegenüber allen Festlegungen freizulegen, die leicht den rassistischen Ethnopluralismus begründen. Gegen die Ausgrenzungsszenarios im Namen der Globalisierung geht es Mishima um die Unvertret- und Unersetzbarkeit des (personalen) Anderen und damit auch um Gerechtigkeit. Diese ethnische Dimension ist für das Politische zurückzugewinnen.
Christian Schlüter
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