: „Erst kaufen, dann saufen“
■ Viertel-Kaufleute setzen auf Rausch: Ab November kann donnerstags, freitags und samstags bis 20 Uhr eingekauft werden / Vegesacker Geschäftsleute streiten noch um Öffnungszeiten
„Vegesack bis acht“ – so wollen Bremen-Norder Kaufleute ab November ihre Kundschaft zu langen Kaufabenden locken – wenn auch eine erste Versammlung der Geschäftsinhaber am Mittwoch für die derart propagierte 20-Uhr-Regelung bisher keine Mehrheit schaffte. „Die Trennlinie verläuft zwischen den großen und den kleinen Betrieben“, bestätigte Nils Koerber als Vorsitzender der Vegesacker City-Ring-Initiative. Ein weiteres Treffen mit „vielen guten Argumenten für die Öffnung bis 20 Uhr“ werde aber sicher eine eindeutige Lösung bringen. Ein Gutachten über den Vegesacker Einzelhandel „mit Oberzentrumsposition“ soll Kritiker dabei überzeugen.
Die Werbemanager der Kaufleute im Viertel denken über längere Öffnungszeiten dagegen eher deftig ins Unreine: Mit „Erst kaufen, dann saufen“ könnte man doch mit den Pfunden des Viertels wuchern, rät ein Fachmann. „Das Nachtleben in Oster- und Steintor hat doch schließlich ein richtig positives Image“. Unter den Kaufleuten selbst findet allerdings die seriösere Werbefassung von „Donnerstag, Freitag, Samstag lang – das Viertel zieht an einem Strang“ mehr Zuspruch. Dieser spontane Geistesblitz eines Geschäftsmannes jedenfalls brachte am Mittwoch abend die Mehrheit von rund 40 Geschäftsleuten auf eine gemeinsame Linie – und vor allem darauf zielte das Gespräch im Ortsamt ab, zu dem die Viertel-Kaufleute eingeladen hatten. „Denn wenn jeder macht, was er will, gehen wir unter“, so die einhellige Meinung der Kaufleute.
Zwar waren von rund 200 GeschäftsinhaberInnen im Viertel nur 40 zur Debatte erschienen – doch die nahmen sich nach schneller Einigung über Öffnungszeiten gleich das nächste Ziel vor: „Jetzt müssen wir die anderen bewegen, mitzumachen.“ Denn das dreimonatige Experiment mit neuen Ladenöffnungszeiten soll schon im November beginnen. Bis dahin müssen auch die KundInnen Bescheid wissen, daß sie sich an Donnerstagen und Freitagen bis 20 Uhr mit Viertelwaren eindecken können – und am Samstag wollen die Läden regelmäßig bis 16 Uhr offenhalten. Das Votum der Anwesenden für diese Lösung fiel deutlich aus: Der Wochenbeginn sei erfahrungsgemäß umsatzschwach und daher für zwei zusätzliche Öffnungsstunden nicht zu empfehlen. Auf diese alte Taxifahrerweisheit einigte man sich umgehend. Und auch der Vorschlag für eine regelmäßige Verlängerung der Ladenöffnungszeiten bis 19 Uhr erhielt nur zwei Stimmen. „Wobei klar ist, daß die Ladenketten sich sowieso an die Vorgaben des Konzerns halten“, so Einzelhandelsvertreter Norbert Caesar.
Caesar, ist zufrieden mit den jetzigen Vereinbarungen. „Aber wir wissen natürlich nicht, wie das bei den KundInnen ankommt.“ Von Überschwang in der Diskussion unter Kaufleuten läßt sich der alte Hase schon lange nicht mehr blenden: „Viele sind mit dem Mund schneller als mit der Hand am Portemonnaie.“ Die Werbekampagne für's Viertel soll deshalb vorerst lieber bescheiden und übersichtlich ausfallen. „Mit unserer Einigung haben wir jedenfalls einen guten Zeitpunkt erwischt“, glauben HändlerInnen, „für eine Lachnummer wie die Verkehrsberuhigung im letzten Januar werden wir uns jedenfalls nicht hergeben“. Selbstsicher weist Norbert Caesar auch die Kritik der SPD-Beiratsmitglieder zurück, die den Niedergang des Viertels angesichts freistehender Läden auf die Auto-Politik des Bausenators schieben. „Dummm Tüch“, sagt Caesar nur. Da hätten vor allem Vermieter dazuzulernen: „Man kann kriegt eben nicht jede hohe Miete bezahlt.“ ede
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