: Aufschwung und Hoffnung in Heimfeld
■ Vom Getto zum lebendigen Stadtteil: Heimfeld-Nord wird entwickelt Von Marco Carini
„Es geht langsam voran“, sagt Susanne Kienzler vom „Förderverein“. Seit einer Woche leitet sie mit ihrem Kollegen Hartmut Falkenberg das neue „Stadtteilbüro“ in der Friedrich-Naumann-Straße im Harburger Stadtteil Heimfeld-Nord. In der neuen, für alle BürgerInnen offenen Anlaufstelle des problembelasteten Wohnquartiers sollen die verschiedenen Aktivitäten zur „Revitalisierung“ des Stadtteils koordiniert werden: Das Büro versteht sich als Schnittstelle zwischen AnwohnerInnen, Initiativen, VermieterInnen und Behörden. Falkenberg: „Wir haben für alle Anregungen ein offenes Ohr. Jeder, der hier wohnt, kann sich mit allen Problemen und Anregungen an uns wenden“.
Die Eröffnung des Stadtteilbüros ist die erste konkrete Maßnahme im Stadtteil, seit Heimfeld-Nord Anfang des Jahres vom Senat zu einem der sogenannten acht Hamburger „Pilotgebiete“ erklärt wurde. Im Rahmen des Programms zur Armutsbekämpfung sollen die der Hansestadt zur Verfügung stehenden Stadterneuerungs-Gelder konzentriert in diesen Stadtteilen eingesetzt werden.
Blenden wir zurück: Noch vor wenigen Jahren galt Heimfeld-Nord als Sammelbecken für Menschen, die nirgendwo anders in Hamburg eine Wohnung fanden. Das Wohnungsamt konnte nur noch „Problemmieter“ hier einweisen, wer mehr als eine Bleibe für eine kurze Übergangszeit suchte, zog hier nicht ein. In den kleinen, oft verwahrlosten SAGA-Wohnungen lebten vor allem alleinstehende Männer. Mehr als die Hälfte der Bewohner lebte von Sozialleistungen, kaum weniger hatten Probleme mit dem Alkoholkonsum.
Viele der arbeitslosen und sozial entwurzelten Mieter verließen ihre Bleiben nur noch, wenn es unbedingt nötig war. Müll stapelte sich kniehoch in einigen Wohnungen; viele MieterInnen waren schon mit der alltäglichen Haushaltsführung hoffnungslos überfordert. Heimfeld-Nord: ein Stadtteil, über den sich Apathie und soziale Isolation wie eine Dunstglocke gestülpt hatte, die das Wohnquartier zu ersticken drohte.
Die Probleme haben sich nicht in Luft aufgelöst...
Die Probleme haben sich nicht in Luft aufgelöst; doch langsam, ganz langsam geht es mit dem Stadtteil bergauf. So hat die SAGA in den vergangenen zwei Jahren mit einem Aufwand von 11 Millionen Mark die ersten 167 ihrer über 900 Heimfelder Wohnungen von Grund auf saniert. Der Rest soll folgen. Viele kleine Ein-Zimmer-Wohnungen wurden zusammengelegt, damit auch Familien den Stadtteil wieder bevölkern.
Zusammen mit den BewohnerInnen begrünt die SAGA zur Zeit die bislang meist verwahrlosten Hinterhöfe und Vorgärten. Susanne Kienzler: „Man merkt, daß sich im Stadtteil etwas tut“.
...aber man merkt, daß sich im Stadtteil etwas tut.
Im vergangenen Jahr wurde mit Mitteln der Sozialbehörde der „Arbeitsladen“ an der Buxtehuder Straße eingerichtet. Hier bekommen HeimfelderInnen, die von der Sozialhilfe leben, tageweise oder auch länger Arbeit vermittelt, mit der sie sich ein Zubrot verdienen können. Mit Mitteln der Stadtentwicklungsbehörde (Steb) wurde ein Treffpunkthaus eingerichtet, in dem heute die Mütterberatung ihre Dienste anbietet und ein nichtkommerzielles Café als Anlaufstelle für die Bewohner des Stadtteils dient.
In der Grundschule Grumbrechtstraße wird seit kurzem ein kostenloses Frühstück für die SchülerInnen angeboten. Per Umfrage hatte die Schulleitung ermittelt, daß viele der Pennäler meist mit knurrendem Magen zur Schule kommen.
Weitere Initiativen sind geplant: Im Herbst soll der Grundstein für einen gut 200 Quadratmeter großen Jugendclub gelegt werden, in dem ab Anfang 1996 die Heimfelder Jugendlichen einen Teil ihrer Freizeit verbringen können. In einem kleinen Parkgelände zwischen Treffpunkthaus und Stadtteilbüro soll in diesem Sommer erstmals ein Gartencafé eingerichtet werden; ein Stadtteilfest ist für kommenden August anvisiert.
Trotz der erfolgversprechenden Ansätze liegt vieles noch im argen. „Es gibt kaum quartiersnahe Arbeitsplätze im Stadtteil“, klagt Hartmut Falkenberg. Immer mehr EinzelhändlerInnen und Kleingewerbetreibende müßten aufgeben, weil sie dem Konkurrenzdruck nicht mehr gewachsen seien. Zudem gibt es von der Kulturbehörde nach wie vor kaum Mittel für Stadtteilkultur, mit der sich die soziale Isolation verringern ließe.
Nach wie vor gibt es kaum Mittel für die Stadtteilkultur
Und neue Probleme kündigen sich bereits an. Durch die umfangreichen Sanierungsmaßnahmen schnellen die SAGA-Warmmieten bis auf 14 Mark pro Quadratmeter hinauf. Falkenberg: „BezieherInnen niedriger Einkommen können sich das nicht mehr leisten“. Deshalb befürchtet der Sozialarbeiter schon heute, daß der erhoffte Aufschwung des Stadtteils zu Verdrängungsprozessen führen könnte. Falkenberg: „Wir müssen aufpassen, daß die Menschen, die in Heimfeld ihre letzte Zuflucht gefunden haben, nicht wieder vertrieben werden“.
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