Mit dem Halbtagsjob in die Rente segeln?

■ Das Altersteilzeitmodell stößt auf wenig Interesse. Neue Stellen sind nicht in Sicht

Seit Ende Juli ist sie in Kraft: die neue Regelung zur Altersteilzeit. Wer 55 Jahre oder älter ist und seine Arbeit auf einer halben Stelle fortsetzt, soll weiterhin 70 Prozent des alten Vollzeitnettolohns erhalten. Ein hoffnungsvolles Modell, meinen viele: Der Arbeitgeber übernimmt die Hälfte der alten Gehälter, den Rest schießt das Arbeitsamt zu. Zudem stockt es die Beiträge zur Rentenversicherung auf 90 Prozent des Vollzeitbetrags auf. Wer mindestens zwei Jahre Altersteilzeit gearbeitet hat, kann ab 60 in Rente gehen, wenn auch mit einigen Abzügen.

Der Sinn der Regelung: Ältere Mitarbeiter sollen Platz machen für jüngere, ohne eine Vorruhestandsregelung in Anspruch zu nehmen. Denn die ist teuer für den Bund. Die Rentenkassen entlasten, neue Arbeitsplätze schaffen und trotz allem nicht auf die Erfahrung älterer Mitarbeiter verzichten – eine vielversprechende Perspektive für Arbeitsämter und Gewerkschaften. Die Realität sieht freilich nüchterner aus.

Auf die Frage, wie viele Arbeitnehmer die neue Regelung schon genutzt hätten, gab Arbeitsminister Norbert Blüm kürzlich zu: „So gut wie niemand, aber das muß nicht wundern.“ Daß jedoch, Gerüchten zufolge, bundesweit nur zwei Personen an dem neuen Modell teilnehmen wollen, bestätigte Blüm dabei nicht. Er wisse nicht, „ob wirklich so wenig Interesse besteht“.

Neu ist die Regelung ohnehin nicht, meinen Kritiker. Das Manager-Magazin vergleicht in seiner Septemberausgabe das neue Modell mit seinen Vorläufern. Ergebnis: Es sei „in seinem Kern eine Wiederauflage der Altersteilzeit, die ab 1989 galt“. Die damalige Lösung habe sich als „unattraktiv“ erwiesen: „Nur rund 700 Arbeitnehmer gingen in Altersteilzeit. Die Mehrheit meldete sich wie vor 1984 nach Abfindung arbeitslos und bezog ab 60 die volle Rente.“

Die neue Altersteilzeitregelung – alles Schnee von gestern? Michael Weidinger, der Berliner Unternehmen in Teilzeitfragen berät, sieht die Sache weniger pessimistisch. „Es läßt sich prophezeien“, meint er, „daß die neue Regelung in gewissem Maße zur Anwendung kommen wird.“ Das sei vor allem dem Umstand zu verdanken, daß die attraktiven Alternativen des Vorruhestands nun wegfallen und das Rentenalter wieder angehoben wird. Die Regelung werde in Gang kommen, sobald die entsprechenden Tarifverträge ausgehandelt seien. „Allerdings“, schränkt Weidinger ein, „wird die Altersteilzeit vor allem größere Betriebe betreffen. Für kleine Betriebe, die nicht an Tarife gebunden sind, ist die Maßnahme kaum interessant und scheint oft den Aufwand nicht wert.“

Ob in der Praxis tatsächlich Halbtagsstellen entstehen, ist fraglich. Statt ältere Mitarbeiter langsam in die die Rente segeln zu lassen, geht der Trend eher zur sogenannten Blockung der Arbeitszeit. Ein Beispiel dafür sind die Tarifabschlüsse der Chemiebranche: Hier sollen die Teilzeitler zunächst zweieinhalb Jahre Vollzeit arbeiten und dafür zweieinhalb Jahre eher in den Ruhestand gehen. Für Kleinbetriebe ist eine Blockung nur bis zu einem halben Jahr möglich. Ob dadurch Arbeitsplätze entstehen, bleibt abzuwarten.

Rechtsexperten wie der Kölner Arbeitsrechtler Ulrich Weber bezweifeln, daß das Gesetz ohne Änderungen beibehalten wird: MitarbeiterInnen, die schon Teilzeit arbeiten, sind von der Altersteilzeit ausgeschlossen – das betrifft vorwiegend Frauen. Bei gleicher Arbeitszeit würden sie weniger verdienen als die überwiegend männlichen Altersteilzeitler. Das könnte spätestens der Europäische Gerichtshof als mittelbare Frauendiskriminierung auffassen und eine Korrektur verlangen. Martin Kaluza