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Ohne Sturmprobleme

■ Zweitligagequält und ersatzgeschwächt holt Kaiserslautern ein 1:0 gegen Roter Stern Belgrad im Pokal der Pokalsieger

Kaiserslautern (taz) – „Mit drei Heimspielen im Europacup könnten wir gut leben, aber momentan hat kein Klub in Jugoslawien das Niveau, die erste Runde zu überstehen!“ Dragan Dzajic, der Technische Direktor von Roter Stern Belgrad, stapelte tief, und Trainer Vladimir Petrovic sah sich nach dem schmeichelhaften 0:1 beim 1. FC Kaiserlautern am Ziel seiner Träume. Eine Woche zuvor hatte er einen hilflosen 1.FCK beim trostlosen 1:1 gegen den FSV Mainz 05 erlebt und daraufhin seine Mannschaft, als bessere Juniorenauswahl angekündigt, optimal eingestellt. Und nun hat Roter Stern, der ehemalige Europapokalsieger der Landesmeister, plötzlich beste Aussichten, im 80.000 Zuschauer fassenden Stadion Marakaná von Belgrad gegen den Bundesliga-Absteiger zumindest die nächste Runde und ein zweites Heimspiel im Europapokal der Pokalsieger zu erreichen.

Davon ist der 1.FCK erst einmal weiter entfernt. Es fehlten wegen Verletzung, Krankheit oder Sperre Kadlec, Wagner, Lutz, Franck, Marschall und der dänische Nationalspieler Schjönberg, aber immerhin erreichte die Mannschaft das Wunschergebnis von Trainer Otto Rehhagel. Aber die Roten Teufel versäumen es zu Hause regelmäßig, wenigstens jede zweite oder dritte Torchance zu nützen. Ob vor zwei Jahren gegen Odense BK oder letztes Jahr gegen Betis Sevilla – stets war spätestens in Runde zwei Schluß.

Dabei hätte allein Jürgen Rische, im Dezember 1995 als Zweitliga-Torjäger vom VfB Leipzig verpflichtet, alle Zweifel am Weiterkommen des 1.FCK zerstreuen können. Doch seit einem Tor bei seinem Debüt gegen Bayer Leverkusen gelang dem Sachsen kein einziger weiterer Treffer. Nach dem 1:0 durch Uwe Wegmann in der 59. Minute verpaßte Rische nach einer mißglückten Rückgabe auf Torhüter Zvanko Milojevic das 2:0. Sieben Minuten vor Spielende traf er nur den Pfosten, und in der 88. Minute gelang dem glücklosen Stürmer erneut das Kunststück, eine hundertprozentige Chance zu vergeben.

In der ersten Hälfte erinnerte der Auftritt des 1.FCK an die verkrampften Versuche in der letzten Saison, die damals noch erstklassigen Bundesligagegner zu besiegen. „Unser Problem liegt nicht im Sturm, sondern mehr im Mittelfeld“, brach der Sportliche Leiter des 1.FCK, Hans-Peter Briegel, eine Lanze für Pavel Kuka, der erneut Zielscheibe der Kritik war. Nach seinen guten Spielen bei der Europameisterschaft und zuletzt im tschechischen Dreß gegen Island, als er zwei Tore schoß, wurde wieder nicht deutlich, warum Kuka von Borussia Mönchengladbach und vom FC Bologna umworben war. Aber Briegel wiegelt ab. Die Mannschaft soll verstärkt werden, aber vor allem im Hinblick auf die nächste Saison, die eine Klasse höher angegangen werden soll.

Doch Rehhagels Klagen, nicht über genügend Alternativen zu verfügen, waren auch gegen Roter Stern Belgrad nachvollziehbar. Da saßen außer Andreas Bross, der vom Drittligisten TSF Ditzingen gekommen war, mit Cem Karaca, Marco Reich und Pascale Karibe Ojigwe drei junge Spieler auf der Bank, die bisher vorwiegend bei den Oberliga-Amateuren eingesetzt worden waren. In der hektischen Schlußphase wollte der eher auf Routiniers vertrauende Rehhagel sie nicht mehr bringen.

Belgrads Coach Petrovic stand seinem Kollegen nicht nach. Seinen Mittelfeldstar Perica Ognjenovic ließ er auf der Bank. Der junge Mann, der schon von spanischen Klubs umworben war, hat die Schule abgebrochen und verdient monatlich 1.300 Mark, dreimal soviel wie sein Vater als Arbeiter. Roter Stern muß auf junge Spieler bauen, um in die europäische Spitzenklasse zurückzukehren und das Niveau von 1991 zu erreichen. Gefährdet wird das Modell paradoxerweise durch internationale Auftritte, denn potentiellen Angeboten westeuropäischer Klubs könnten Spieler und Verein aus wirtschaftlichen Gründen kaum widerstehen. Vielleicht hat Hans- Peter Briegel ja den einen oder anderen Roten Stern entdeckt, der bald ein Roter Teufel werden könnte. Das Schmunzeln in seinem Gesicht könnte sacht darauf hindeuten. Günter Rohrbacher-List

Roter Stern Belgrad: Milojevic - Djorovic - Marinovic, Stakic (89. Bratic) - Vanic, Anic, Njegus, Dejan Stankovic (85. Boskovic), Ljubojevic, Predrag Stankovic - Jovicic

Zuschauer: 25.719, Tor: 1:0 Wegmann (59.)

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