: Demokratisierung nicht ohne militärischen Schutz
■ Nur die Verlängerung des Mandats der Nato-Truppen kann die Befriedung der Region garantieren. Eine weitere Option: Ein Protektorat Bosnien-Herzegowina
Solange die Rückkehr der Vertriebenen des Krieges nicht garantiert werden kann, solange totalitäre Systeme die Menschen in Bosnien-Herzegowina in die Konfrontation zwingen, solange ist an eine Befriedung Bosnien-Herzegowinas nicht zu denken. Wer gegen eine Verlängerung des Mandats der Nato-Truppen protestiert, sollte bedenken, daß dies unter den gegebenen Umständen nichts anderes bedeutet, als ein Votum für einen möglichen neuen Krieg abzugeben.
Der zivile Prozeß ist nur durchzusetzen, wenn die internationalen Truppen bis auf weiteres bleiben. Die jetzt stattfindenden Wahlen können nur durchgeführt werden, weil die Soldaten der Ifor wenigstens an den wichtigsten Brennpunkten allein durch ihre Präsenz Zusammenstöße vermeiden helfen. Weil ihre Anwesenheit garantiert, daß jene faschistisch-nationalistischen Kräfte, die für die „ethnischen Säuberungen“ mit allen ihren Erscheinungsformen verantwortlich sind, in die Schranken gewiesen werden. Die Dynamik des zivilen Prozesses, zu dem die Wahlen gehören, kann schließlich darin münden, daß irgendwann die Anwesenheit von ausländischen Truppen überflüssig wird. Dies ist jedoch erst dann gegeben, wenn die politischen Machtverhältnisse in der „Republika Srpska“ und auch in Herceg-Bosna erschüttert werden – wenn also der zivile Prozeß so weit fortgeschritten ist, daß rechtsstaatliche Mechanismen wieder greifen. Dann erst ist an die friedliche Rückkehr der Vertriebenen zu denken.
Keine Frage, daß die nationalistischen Extremisten sich solange an die Macht klammern, wie es nur geht. Es ist sogar zu befürchten, daß die komplizierte Verfassungskonstruktion mit der dreiköpfigen Präsidentschaft, dem Gesamtparlament, den Präsidenten der sogenannten „Serbischen Republik“ und der „Bosniakisch-Kroatischen Föderation“ sowie deren Parlamente zur Blockade jeglichen wirtschaftlichen und politischen Fortschritts benutzt werden. Vor allem die Führung der serbischen Partei SDS hat die Option eines Anschlusses der „Serbischen Republik“ an Serbien noch nicht aufgegeben. Auch die Führung der kroatischen Extremistenpartei HDZ hofft noch, die kroatisch kontrollierten Gebiete an Kroatien anschließen zu können.
Käme es also nach der Wahl zu einer politischen Blockade der Institutionen, müßte die internationale Gemeinschaft über neue Mittel nachdenken, wie die Reintegration der bosnisch-herzegowinischen Gesellschaft zu erreichen ist. Die Option, die Teilung hinzunehmen, wie sie vor allem von britischer Seite befürwortet wird, ist wohl vom Tisch.
Deshalb macht in den letzten Wochen die Forderung nach einem internationalen Protektorat Bosnien-Herzegowina die Runde. Nach nicht repräsentativen Umfragen in fast allen Teilen des Landes sind überraschenderweise fast alle Befragten mit einer solchen Lösung einverstanden. Käme es zu einem Protektorat, könnten in Ruhe und im Schutz der internationalen Truppen und Polizeikräfte eine grundlegende Demokratisierung von unten durchgesetzt, ein weniger komplizierter Staatsaufbau geschaffen und der wirtschaftliche Wiederaufbau angepackt werden.
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