: Wenn der Vermieter klingelt
■ Hausbesitzer erzwingt Mieterhöhungen per Hausbesuch/ Mieterschützer: „Dreist“
Wenn es an der Haustür klopft, kann man nicht nur einer Drückerkolonne auf den Leim gehen. Diese Erfahrung mußten jetzt MieterInnen an der Robinsbalje 3 in Huchting machen: Ihnen jubelte der Vermieter per Hausbesuch eine saftige Mieterhöhung unter. Mieterin Manuela Peters hat jetzt noch Angst und Herzklopfen, wenn sie an die letzte Woche denkt. „Der hat uns gedroht, daß wir sonst ausziehen müßten“, sagt sie. „Ziemlich dreist“ findet das der Mieterschutzbund, der jetzt vier Betroffene rechtlich vertritt.
Vor einer Woche hatte Hauseigentümer Franz Osmers bei den ersten vier von insgesamt 32 Mietparteien vorgesprochen. Denn in dem Mietshaus in Huchting läuft zum 1. Januar 1997 nach 30 Jahren die öffentliche Förderung aus. Wer einen Wohnberechtigungschein besaß, konnte vom Wohnungsamt bislang einen Aufwendungszuschuß zur Miete beantragen. Die anderen MieterInnen zahlten Fehlbelegungsabgabe. Doch jetzt nutzte Hauseigentümer Osmers das Förderungsende für seine Zwecke.
„Mit niedrigen Sozialmieten ist Schluß. Sonst bleiben Sie dem freien Markt überlassen“, klopfte er bei Familie Peters an. In der Wohnung hielt er dem verdutzten Ehepaar einen „Nachtrag zum Mietvertrag“ vor die Nase. „Wenn Sie nicht unterschreiben, sind Sie wohl gezwungen, sich eine andere Wohnung zu suchen“, hatte der Vermieter gedroht, erinnert sich die 28jährige Manuela Peters. Die ungelernte Verkäuferin weiß, daß sie mit ihren drei kleinen Kindern „wohl kaum etwas anderes finden würde“ und unterschrieb, „weil ich keine andere Wahl hatte“. Statt einer Kaltmiete von rund 520 Mark für eine 75 Quadratmeter Wohnung soll sie nun künftig 800 Mark monatlich zahlen, in jedem folgenden Jahr bis zum Jahr 2000 jeweils 30 Mark mehr. „Diese Mieterhöhung liegt über 30 Prozent und verstößt damit gegen das Miethöhegesetz“, sagt Gert Brauer vom Mieterschutzbund. Doch rein mietrechtlich könne man gegen diesen dreisten Kostensprung nichts mehr machen, erklärt Brauer das Problem. Denn die vier MieterInnen habenden neuen Mietvertrag „in gegenseitigem Einvernehmen“ unterschrieben . „ In solch einem Fall ist man nicht an die 30 Prozent-Grenze gebunden“, so Brauer.
Dagegen zog der Mieterschutzbund jetzt einen letzten Trumpf, das Haustürwiderrufsgesetz, aus dem Ärmel, das sonst gegen Drückerkolonnen hilft: Wer wider Willen seine Unterschrift unter ein Zeitungsabo setzt, kann diese binnen acht Tagen widerrufen. „Dieses Gesetz wollen wir auf den Huchtinger Fall anwenden“, ist sagt Brauer. Er schickte Vermieter Osmers bereits die ersten vier Widerrufe zu.
„Einfach lächerlich“, kontert Osmers, der von „Sozialmieten nicht leben und nicht sterben kann.“ Die Mieter hätten den Vertrag ja nicht unterschreiben brauchen, meint er. Außerdem könnten sie doch zum Sozialamt gehen: „Das zahlt sowieso die Differenz.“
„Das ist das Schlimmste“, findet die betroffene Mieterin Manuela Peters. Denn vom Wohnungsamt würde ihre Familie höchstens 20 Mark bekommen: „Mein Mann arbeitet bei Mercedes, und ich bin ungelernte Verkäuferin: Da sieht es finanziell gar nicht rosig aus“.
Am vergangenen Mittwoch hat Gert Brauer vom Mieterschutzbund alle MieterInnen in der Robinsbalje über ihre Rechte aufgeklärt. In dem Haus wohnen vor allem verwitwete, ältere und alleinstehende Damen. Osmers jedoch will auch weiter durch die Gänge stromern. kat
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