Neonazis dürfen weitersenden

■ Parteien von CDU bis PDS kritisieren die Medienanstalt für die Duldung von „Radio Germania“ im Offenen Kanal

Die Neonazis aus dem Umfeld der „Kameradschaft Beusselkiez“ in Moabit können vorerst im Offenen Kanal weitere Sendungen produzieren. „Solange sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen, steht ihnen die Sendezeit zur Verfügung“, sagte gestern die Sprecherin der Medienanstalt Berlin Brandenburg (MABB), Susanne Grams, gegenüber der taz. Die Gruppierung, die der Verfassungsschutz als „eindeutig rechtsextrem“ einschätzt, sendet seit einem halben Jahr monatlich eine einstündige Magazinsendung im Hörfunkprogramm des Offenen Kanals. Sie hieß zunächst „Radio Deutschland“, dann „Radio Germania“.

In einer der letzten Sendungen rief Moderator Mike Penkert, der Kopf der „Kameradschaft Beusselkiez“, indirekt zur Teilnahme an den teilweise verbotenen Heß-Demonstationen im August auf. Außerdem verbreitete er im Radio, daß der Hitlerstellverteter 46 Jahre lang „völkerrechtswidrig“ in Haft gehalten wurde. Den Justizbehörden seien jedoch bisher keine strafbare Äußerung bekannt, sagte Sprecherin Corinna Bischoff.

Zukünftig werde aber genau beobachtet, so Susanne Grams, ob der ungestörte Ablauf der Sendung – die Neonazis senden unter Polizeischutz – weiterhin gewährleistet sei. „Ist das nicht so, ziehen wir in Betracht, die Sendung nicht mehr live senden, sondern auf Kassette vorproduzieren zu lassen“, sagte Grams. Der medienpolitische Sprecher der SPD, Nikolaus Sander, kritisiert die Entscheidung der Medienanstalt: „Neonazis haben in einer Rundfunkanstalt, egal ob öffentlich oder privat, nichts zu suchen.“ Dabei sei es egal, ob die Radiomacher Gesetzesverstöße begingen oder nicht: „Es geht nicht um Rechtsfragen, sondern um eine politische Entscheidung, die Sendung abzuschalten.“

Auch Monika Grütters (CDU), ebenfalls im Medienausschuß des Abgeordnetenhauses, plädiert dafür, Neonazis kein Forum mehr im Radio zu bieten: „Es ist alarmierend, daß solchen Gruppierungen Gehör verschafft wird.“ Alice Ströver von den Bündnisgrünen, forderte die Medienanstalt auf, „endlich sichtbar tätig zu werden“. Eine Vorabkontrolle der Beiträge und der Musikstücke müsse unbedingt erfolgen. Die PDS kritisierte, daß über das Problem „politisch diffiziler Sendungen bisher zu wenig geredet worden“ sei, sagte Eva Müller. Die Medienanstalt müsse sich dem Thema endlich „öffentlich stellen und dürfe sich nicht auf Gesetzestexte zurückziehen“. Den Offenen Kanal forderte sie auf, „Zivilcourage“ zu zeigen und den Neonazis die Sendung am nächsten Donnerstag zu verweigern. Am gleichen Tag berät der Medienausschuß des Abgeordnetenhauses darüber. Julia Naumann