: Milchbauern werden zu Molkereibesitzern
■ Als die regionale Molkerei geschlossen wurde, übernahmen die Landwirte die Vermarktung, vor allem von Biomilch. BUND hilft mit einem Beteiligungsfonds
Köln (taz) – Auf diesen Tag hat Josef Jacobi schon lange gewartet. Am kommenden Freitag wird die Upländer Bauernmolkerei GmbH ihre erste Milch durch blankgeputzte Tanks laufen lassen. „Wir wollen zeigen, daß es mit bäuerlicher Selbsthilfe auch anders geht“, meint Jacobi. Der Biobauer aus der ostwestfälischen Gemeinde Körbecke und Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) ist heute optimistisch.
Vor einem Jahr sah alles noch anders aus. Die von den Milchwerken Köln/Wuppertal (Hausmarken „Tuffi“ und „Vita“) geschluckte kleine Usselner Molkerei mußte ihre Pforten wegen angeblich fehlender Rentabilität schließen. 35 Arbeitsplätze gingen verloren, und eine funktionierende regionale Produktionsstätte wurde trotz zahlreicher Proteste von Landwirten dichtgemacht. „Je größer die genossenschaftlichen Molkereien werden, desto weniger Einfluß und Durchblick haben die Bauern“, kommentiert Jacobi. Zusammen mit anderen Milchbauern aus der Region überlegte er daraufhin, wie man die 1898 gegründete Usselner Molkerei wieder flottmachen könnte.
Das Problem dabei: Knapp zwei Millionen Mark mußten aufgetrieben werden. „In jedem Liter Milch steckt ein schönes Stück Region“, von dieser Unternehmensphilosophie ließ sich als erster der Bürgermeister der Gemeinde Willingen, Hubert Bechstein, überzeugen. Für 650.000 Mark kaufte die Gemeinde mit Hilfe eines Landeszuschusses von Tuffi Gebäude und Grundstück. Sie hat die Molkerei an die im April von 35 Milcherzeugern gegründete Upländer Bauernmolkerei GmbH ( (UBM) verpachtet.
Seit Anfang Mai machen Bautrupps, Elektriker, Klempner und ehemalige Mitarbeiter den stillgelegten Milchbetrieb wieder flott. 1,3 Millionen Mark mußten die Milchbauern als angehende Molkereibesitzer aufbringen. Die Bauern haben abhängig von ihrer Milchmenge Stammeinlagen eingezahlt und Bürgschaften zur Absicherung der Bankdarlehen zur Verfügung gestellt. Unterstützt werden die Usselner Milchbauern vom BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen, der einen Beteiligungsfonds aufgelegt hat. Die Einlagen werden von der Molkerei mit vier Prozent verzinst, wobei ein Prozent zweckgebunden für das Molkereiprojekt einbehalten wird.
Allein im nächsten Jahr sollen zwei Millionen Liter Biomilch verarbeitet werden. Um die Molkereikapazität jedoch rentabel auszulasten, müssen zunächst knapp acht Millionen Liter konventionelle Milch hinzugekauft werden. Langfristig soll aber nur noch Biomilch zu Sahne, Trinkmilch, Butter, Buttermilch und Speisequark veredelt werden. „Uns ist klar, daß wir auch neue Absatzwege finden müssen, um dieses Ziel zu erreichen“, sagt Christine Kiebel, Marketingleiterin der Molkerei.
Schon in der nächsten Woche werden die Upländer Molkereiprodukte in den Regalen der lokalen Supermärkte und Tante-Emma-Läden zu finden sein. Ob sie sich gegen die Billigangebote der Großen in der Branche durchsetzen werden, bleibt dagegen abzuwarten.
In Usseln setzt man auf das regionale Vermarktungskonzept. „Unsere Produkte haben keine langen Transportwege hinter sich. Sie stammen aus der Region für die Verbraucher in der Region“, so Biobauer Josef Jacobi. Eins steht heute schon fest: Mit dem Projekt konnten bereits 15 Arbeitsplätze geschaffen werden, darunter zwei Ausbildungs- und zwei Behindertenarbeitsplätze. Michael Franken
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