: Ankara geht auf Distanz zur Irak-Politik der USA
■ Die türkische Regierung will die Militärbasis Incirlik nicht für neue Angriffe zur Verfügung stellen. Kuwait stimmt der Verlegung von weiteren US-Soldaten zu
Istanbul (taz) – US-Verteidigungsminister William Perry hat in der türkischen Hauptstadt Ankara zu spüren bekommen, daß die türkische Regierung unter Necmettin Erbakan mehr und mehr auf Distanz zur Irak-Politik der USA geht. Indiz dafür ist auch der Umstand, daß gestern ein Treffen zwischen Perry und dem islamistischen Ministerpräsidenten Erbakan nicht stattfand. Angebliche „Terminschwierigkeiten“ wurden als Grund benannt – Erbakan wollte seinen Wochenendurlaub nicht vorzeitig abbrechen.
Perry traf nach Besuchen in Saudi-Arabien, Kuwait und Bahrain gestern in Ankara mit dem Staatspräsidenten Süleyman Demirel, Außenministerin Tansu Çiller und dem Verteidigungsminister Turhan Tayan zusammen, um die Irak-Politik Washingtons zu erläutern. Offenkundig wurde, daß die Türkei ihre Militärbasen für eine erneute militärische Attacke gegen den Irak nicht zur Verfügung stellen wird. Auf die Frage, ob die Benutzung des Luftwaffenstützpunktes Incirlik, der eine zentrale Rolle im Golfkrieg gespielt hatte, zur Sprache gekommen sei, antwortete Çiller, daß eine solche Forderung „nicht im Interesse der Türkei“ sei. Der US-Verteidigungsminister habe allerdings solche Erwartungen nicht formuliert.
Zwei Hauptmomente prägen die Politik der türkischen Regierung. Zum einen das Embargo gegen den Irak, das seit dem Golfkrieg der Türkei immense wirtschaftliche Verluste beschert hat. Zum anderen die türkisch-kurdische Guerillabewegung PKK, die seit dem Ende des Golfkriegs von ihren Basen im Nordirak immer wieder die Grenze zur Türkei überschritt, um Angriffe durchzuführen.
Die türkische Regierung fordert seit langem die Lockerung des Wirtschaftsembargos gegen den Irak und verlangt die Rückendeckung von den USA bei der Bekämpfung der PKK in Irakisch- Kurdistan. Um gegen die PKK vorzugehen, will die Türkei eine entvölkerte militärische „Sicherheitszone“ im Grenzgebiet einrichten.
Die USA hätten hierfür „Verständnis“ geäußert, sagte Çiller nach dem Gespräch mit Perry. „Wir können nicht zulassen, daß die PKK an unserer Grenze aufrüstet“ – so Çiller. Die türkische Nahost-Politik scheint ganz und gar auf die PKK fixiert. Auch der iranische Außenminister Ali Akbar Velayati, der vergangene Woche die Türkei besuchte, sah sich mit Vorwürfen konfrontiert, daß sich auf iranischem Gebiet PKK- Lager befinden.
An anderer Stelle konnte Perry jedoch gestern einen Erfolg verbuchen: Kuwait hat gestern der Stationierung von weitern US-Bodentruppen zugestimmt. Dies teilte der Sprecher des Weißen Hauses, Mike McCurry, gestern mit. Bei dem Besuch Perrys in dem Ölemirat hatte Emir Dschaber al Ahmad al Sabah am Sonntag eine sofortige Zusage abgelehnt. Er hatte zunächst auf eine Sitzung des Verteidigungsausschusses seiner Regierung verwiesen. In Kuwait sind bereits 1.200 US-Soldaten stationiert. Nun wollen die USA weitere 3.000 Soldaten dorthin entsenden. Wie viele Soldaten das Emirat zusätzlich aufnehmen wird, sagte McCurry nicht. Ömer Erzeren
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