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Freischwimmer und Finanzminister Voscherau

■ Krista Sager und Joschka Fischer finden eine große Koalition in Hamburg unschön

„Ach“, legte Joschka Fischer gestern zu Besuch in Hamburg seine großzügige Miene auf, „der Voscherau soll erst mal hier seinen rot-grünen Freischwimmer machen.“ Und wenn er sich gut führt, dann darf er 1998 nach den Bundestagswahlen vielleicht auch als Finanzminister nach Bonn. Als Bundesminister von Fischers Gnaden dürfte sich Hamburgs Bürgermeister wenig gefallen, auch wenn er erst kürzlich bekundete, sich Rot-grün mit Fischer, nicht aber mit Krista Sager vorstellen zu können. „In Wirklichkeit wär's ein Alptraum“, so Fischer. Die im November als Parteisprecherin nach Hamburg zurückkehrende GALionsfigur Krista Sager wolle Voscherau nur deshalb nicht, „weil sie ihm hier auf der Pelle sitzt.“

Das Bonner Dream-Team Sager & Fischer wurde gestern in Hamburg vorstellig, um den sich mehrenden Zeichen für eine schwarz-rote Regierung an der Elbe mit geballter grüner Rhetorik entgegenzutreten: „Diese Stadt ist für eine große Koalition nicht geeignet“, steuert Sager gegen. „Hamburg sollte man das schwere Schicksal Berlins ersparen“, warnt Fischer, „Schwarz-rot ist nichts als eine große Verteilungskoalition.“ Von den Hamburger Bürgerschaftwahlen in einem Jahr, die letzten Landtagswahl vor der nächsten Bundestagswahl 1998, erhofft er sich „ein Signal für Bonn“.

Nicht nur das grüne Wahlergebnis soll gut werden – das war mit 13,5 Prozent auch 1993 recht ordentlich –, sondern vor allem das politische Farbenspiel: „Eine Stimme für die GAL ist eine Stimme gegen die große Koalition“, wirbt Sager. Die wegbrechende SPD-Stammwählerschaft, die zum Nichtwählen tendiere, könne nur durch die Grünen kompensiert werden. Das allein weist aber keinen Weg in eine entsprechende Regierung.

Ein Bündnis mit der CDU zur Verhinderung einer großen Koalition schließen Sager und Fischer trotz ihrer schwarz-grünen Flirts kategorisch aus: „Zwischen einem Flirt und einer Ehe klaffen Welten“, doziert Fischer. Der frisch gekürte CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust (siehe Meldung rechts), ergänzt Sager, sei zwar ein netter Typ. Doch der „Jungburscheneffekt“ schleife sich ab und fördere zutage, „daß er sich von der CDU nicht politisch emanzipiert hat.“

Doch auch die dauerregierende Hamburger SPD stimmt das Bonner Duo nicht hoffnungsfroh. „Für die SPD ist Machterhalt Selbstzweck“, so Sager. Gemeinsam mit der linken SPD gegen eine große Koalition zu kämpfen, komme jedoch nicht infrage. Die gescheiterten Verhandlungen 1993 hätten gezeigt, daß die sozialdemokratischen Rot-Grün-Fans im Zweifelsfall vor dem Bürgermeister kuschen. „Wir werden unseren eigenständigen Wahlkampf machen“, hat Krista Sager daraus gelernt.

Silke Mertins

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