: „Das schärfste Schwert der Opposition“
■ Mißtrauensantrag der Bündnisgrünen gegen Bürgermeister Diepgen wegen des Olympiaskandals. Fraktionsvorsitzender Wieland: „Geld zum Fenster hinausgeschmissen“
taz: Herr Wieland, die Grünen haben gestern einen Mißtrauensantrag gegen den Regierenden Bürgermeister beschlossen. Ist die vergebliche Olympiabewerbung das wert?
Wolfgang Wieland: Es geht nicht alleine um die Olympiabewerbung. Hier hat man seinerzeit – nach offiziellen Angaben – 80,3 Millionen Mark für sieben angeworbene Stimmen ausgegeben. Das sind zehn Millionen Mark pro Land, das für Berlin stimmen sollte. Das wäre sowieso zuviel, selbst wenn die Gelder sauber ausgegeben worden wären. Der Rechnungshofbericht belegt aber noch einmal, daß das Geld zum Fenster rausgeschmissen wurde, daß es ohne Belege und geradezu mafios in die verschiedensten Kanäle gesickert ist.
Nun ist der Mißtrauensantrag das schärfste Schwert im Parlamentarismus. Würde man nicht mit dem Florett, der Mißbilligung, besser treffen?
Das sind taktische Fragen. Wir haben in der Fraktion darüber diskutiert, ob wir gegen Diepgen, wenn er so ausweichend antwortet wie er es im Abgeordnetenhaus am Donnerstag getan hat, sofort einen Mißbilligungsantrag stellen wollen. Ich war dafür, es gleich zu tun, aber stand mit dieser Position sehr alleine in der Fraktion.
Aber wer stimmt denn mit bei einem Mißtrauensantrag – etwa in der SPD?
Eigentlich müßte die gesamte SPD mitstimmen; sie wird es nicht tun. Das Schlimme ist, daß sich die SPD in das Boot des Geldausgebens hat mit hineinziehen lassen. Die SPD, die heute diese Verschwendungsorgie kritisiert, hat natürlich die Schwierigkeit, daß sie immer mit dabei war. Sei es in Barcelona, sei es in Monaco – auf jedem Empfang hat sie mitgetanzt, jedem IOC-Mitglied hat sie die Füße mitgeküßt. Der ausschlaggebende Gesichtspunkt für uns ist: Was läßt man sich eigentlich bieten. Wir hätten erwartet, daß der Regierende mal einen Hauch von Selbstkritik an den Tag legt. Statt dessen hat er einen dummen, plumpen Gegenangriff gegen die grüne Fraktion gefahren. Er läßt von seinem Sprecher Butz die Lüge verbreiten, der Rechnungshof wiederhole nur die alten Rügen der Senatskanzlei. In Wirklichkeit bemängelt der Rechnungshof, daß die Senatskanzlei – wie es wörtlich heißt – „mit bewußt falschen Angaben arbeitet“. Ein schlimmeres Zeugnis kann man eigentlich der Regierungszentrale eines Bundeslandes nicht ausstellen. Was für Nawrocki der Reißwolf, ist für Diepgen die Liquidation der Olympia GmbH und das Vergessen. Er meint, aus parteipolitischen Gründen werde ein alter Vorgang noch mal aufgewärmt – so als ob der Rechnungshof ein Instrument der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wäre.
Es ist in der Fraktion strittig, ob man mißbilligen soll oder das Mißtrauen beantragt.
Die Mehrheit wollte sich die schärfste Maßnahme, das Mißtrauensvotum, ausdrücklich vorbehalten. Die Verstöße sind einfach zu eklatant, das Fehlverhalten für jede BürgerIn einsichtig – schließlich leben wir in einer Stadt, wo sich Familien überlegen müssen, ob sie noch zusammen ins Schwimmbad gehen können. Wenn eine Regierung dann nach dem Motto agiert, wir schieben jedem IOC-Greis die 1.000-Mark- Scheine dorthin, wo er sie gerade haben will, dann wird man als Opposition auch das schwerste Schwert herausholen. Interview: Christian Füller
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